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Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz

Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz

Titel: Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz
Autoren: Christine Westendorf
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heute. »Das war doch alles nicht echt.«
    Verglichen mit den Familien aus der Nachbarschaft, die ihre freie Zeit fast immer nur bei sich zu Hause verbrachten, hatten Amanda, Klara und Max jedoch viel Abwechslung an den Wochenenden gehabt und eine Menge gesehen.
    Mit der Abwechslung war es allerdings vorbei gewesen, nachdem das »Miniaturwunderland« mit seinen Spielzeugeisenbahnen in Hamburgs Speicherstadt eröffnet hatte. Klara war beim ersten Besuch noch ganz begeistert von den auf vielen Quadratmetern detailgetreu aufgebauten Eisenbahnstrecken samt Modellen gewesen, bis sie bemerkte, dass man mit den Eisenbahnen nicht spielen durfte. Wenn es jedoch nach Max gegangen wäre, hätten sie von nun an jeden freien Tag dort verbringen können. Ab sofort stellte Max seine Suche nach guten Ausflugsorten ein, denn er hatte den besten aller Orte gefunden.
    Das »Miniaturwunderland« war ein Wirklichkeit gewordener Männertraum. Max konnte sich ganze Stunden,
eingepfercht zwischen Busladungen von lärmenden Kinderhorden, daran erfreuen, wie die kleinen Züge durch ein ebenso kleines, nachgestelltes Leben fuhren.
    Amanda hatte nach ihrem ersten gemeinsamen Besuch in der Zwergenwelt zumeist draußen auf Max und Klara gewartet und auf die Elbe geschaut. Manchmal war sie auch allein am Hafen entlanggeschlendert. Später hatte sie Klara an die Hand genommen, um ihr einmal etwas anderes als Züge zu zeigen. Doch die großen Schiffe, die Docks mit all ihren Kränen und die Elbe hatten ihre Tochter nicht besonders interessiert. Eines Tages hatten Klara und sie dann gar nicht mehr mitkommen wollen. Von da an war Max ganz allein durchs »Miniaturland« gestreift und hatte dort, wie Amanda heute wusste, zwischen all den Gleisen und Zügen eine andere Frau kennengelernt.
    Eine Frau, die seine Leidenschaft für Modelleisenbahnen teilte. Eine Frau, der es genügte, neben ihm zu sein, die niemals auf oder unter ihm liegen wollte. Eine Frau, die sich damit zufriedengab, dass er nur gelegentlich in ihr war.
    Amanda hatte das nie gereicht. Sie hatte unter der Kargheit seiner Gefühle gelitten, bis sie Henry kennenlernte. Danach hatte sie, während sich Max auf ihr abmühte, nur an Henry denken müssen, und schon war der Sex mit Max nicht einmal mehr so schlecht gewesen. Aber Henry war leider nicht mehr als ein Traum gewesen, für den sich ihre Sehnsucht ein Gesicht gesucht hatte.
    Sollte das wirklich alles gewesen sein? Amanda betrachtete sich kritisch im Spiegel. Vielleicht war sie mit ihren siebenunddreißig Jahren nicht mehr die Frischeste,
aber sie hatte einem Mann noch immer eine Menge zu bieten.
    Amanda schaltete ihren Computer an und loggte sich auf die Homepage von »Gute Männer für Sie« ein.
    Sie schrieb:
    Sehnsuchtsvolle Frau, 37, sucht einen begeisterungsfähigen Mann, der das Gesicht in ihren Träumen sein will.
    Amanda hatte es satt, weiter zu warten. Sie wollte jetzt einen neuen Gefährten finden. Sie war eine erwachsene Frau, und das bedeutete, dass sie handeln musste und nicht länger darauf warten konnte, dass sich die Dinge von allein fügten.
    In den folgenden Tagen gingen einige Mails an Amanda ein. Zumeist von Spinnern, »Miniaturwunderländlern« oder pickeligen Muttersöhnchen, die sie treffsicher sofort als solche entlarvte, obwohl diese weder Fotos von sich geschickt noch verräterische Worte in ihren E-Mails hinterlassen hatten. Bisher hatte auch sie noch kein Foto von sich ins Netz gestellt, obwohl ihr mittlerweile klar geworden war, dass sie nur dann eine Chance hatte, einen interessanten Mann zu finden, wenn sie ein wenig mehr von sich zeigte. Außerdem war sie noch immer attraktiv und hatte nichts zu verlieren. Nur zu gewinnen.
     
    Als Amanda an diesem Nachmittag ihre Freundin Doris im Supermarkt traf, fühlte sie sich beschwingt wie schon seit langem nicht mehr.

    »Hast du Zeit für’nen Kaffee? Ich muss dir unbedingt was erzählen.«
    Doris deutete auf den Berg tiefgefrorener Lebensmittel in ihrem Einkaufswagen.
    »Tut mir leid, aber ich muss zusehen, dass ich nach Hause komme. Ich will nicht riskieren, dass die Entenbrüste antauen. Was gibt’s denn?«
    Amanda bugsierte Doris in den Gang mit den Putzmitteln hinein. Bis auf einen Mann im schwarzen Mantel, der in einigem Abstand von ihnen unschlüssig vor dem Regal mit WC-Reinigern stand, war weit und breit kein Mensch in Sicht.
    »Ich werde mich von Max trennen«, verkündete Amanda mit ernster Stimme, »und noch mal ganz von vorne anfangen. Zuerst suche
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