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Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz

Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz

Titel: Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz
Autoren: Christine Westendorf
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der Toten? Hat man sie ebenfalls sichergestellt?«
    Nachdenklich kratzte sich Weber am Kopf.
    »Nein, bisher gibt es noch keine Spur von einer Tasche, Anna. Dabei wäre es wirklich ungewöhnlich, wenn die Frau ohne Handtasche aus dem Haus gegangen wäre.«
    »Lassen Sie die Männer weitermachen, Weber. Und lassen Sie den Umkreis vergrößern, in dem nach weiteren Spuren gesucht wird.«
     
    »Eine sehr schöne Frau«, meinte Anna Greve, nachdem sie mit der Brieftasche der Toten in den Händen zusammen mit Weber den Tatort verlassen hatte und sich auf dem Rückweg ins Präsidium befand. »Mit ihren hochgesteckten
schwarzen Haaren, dem knabenhaft zierlichen Körper und den großen braunen Augen erinnert sie mich ein bisschen an die junge Audrey Hepburn.«
    Weber sah seine Kollegin aufmerksam von der Seite an. »Wir kommen nur weiter, Anna, wenn wir uns ausschließlich auf die Fakten konzentrieren.«
    »Das ist mir klar, deshalb dürfen wir auch keine weitere Zeit verlieren. Als Erstes nehmen wir uns Monika Jacobsens Brieftasche vor, und anschließend machen wir noch einmal persönlich Dampf bei der KTU. Die Kollegen sollen zusehen, dass sie sich mit dem Auswerten der Spuren beeilen.«
     
    Amanda, die sehnsuchtsvolle Frau.
    Der Mann in Amandas Träumen hatte sein Gesicht verloren. Früher hatte sie Henry immer vor sich gesehen, wenn sie zärtlich zu sich war. Wenn sie anfing, sich zu streicheln, musste sie nur an sein sanftes Lächeln denken, und schon wurde sie weich und weit und nass.
    Aber Henry war fort, weshalb es auch keinen Sinn mehr machte, zärtlich zu sich zu sein. Dabei war nie wirklich etwas zwischen ihnen geschehen. Henry war der Pächter des Zeitschriftenladens im nächsten Ort gewesen, weiter nichts. Doch war er zu Amanda stets freundlicher als zu all seinen anderen Kundinnen gewesen. Einmal hatte er sie sogar auf ein Glas Wein nach Feierabend eingeladen und sie danach zum Abschied mit einer herzlichen Umarmung aus seinem Laden begleitet. Und wenn er Amanda die Einkäufe herüberreichte, berührte er dabei stets ihre Hände. Aber darüber hinaus war nie etwas passiert. Warum also war Henry schon in
der ersten Nacht, nachdem Amanda ihn kennengelernt hatte, der Mann geworden, dessen Gesicht sie in ihren Träumen vor sich sah? Warum Henry?
    Wie war es möglich, dass der Mann in Amandas Träumen niemals das Gesicht von Max gehabt hatte? Immerhin hatte sie Max geheiratet und lebte nun schon seit mehr als vierzehn Jahren mit ihm zusammen. Seitdem war er jeden Tag an ihrer Seite gewesen, und dennoch war er nicht der Mann in Amandas Träumen. Eine unumstößliche Tatsache, deren Ursachen und Gründe mittlerweile klar auf der Hand lagen.
    Wenn Amanda zum Beispiel neben Max im Auto saß und während der Fahrt zärtlich seinen Nacken zu streicheln begann, nahm er ihre Hand sofort wieder von sich fort.
    Ihre Kitzelei sei wirklich alles andere als angenehm und lenke ihn darüber hinaus vom Autofahren ab, erklärte er dann mit ruhiger Stimme, in der allerdings ein deutlich aggressiver Unterton mitschwang. Amanda lernte ihre Lektion schnell und ließ sich deshalb nur noch selten zu spontanen Zärtlichkeiten hinreißen. Doch dass auf seinem Gesicht niemals ein sanftes Lächeln zu sehen gewesen war, nicht einmal, wenn sie miteinander geschlafen hatten, konnte Amanda ihrem Mann nicht verzeihen. Und auch wenn Max’ Hände schlank und beweglich waren, genau so, wie sie es bei einem Mann gern hatte, vermochte er sie leider überhaupt nicht zu gebrauchen. Die Liebe mit Amanda schien für Max kein wunderbares Spiel, sondern vielmehr ein Punkt auf einer Liste zu sein, den es allwöchentlich abzuarbeiten galt.
    Wo blieb Max nur mit seiner Sehnsucht? Amanda
wusste es nicht, und mittlerweile bezweifelte sie sogar, dass er überhaupt zu tieferen Gefühlen fähig war. Max hatte in seinem Leben nun einmal ganz andere Prioritäten; für ihn war die Welt in Ordnung, wenn alles einen gewohnten Verlauf nahm. Er strebte keineswegs danach, wirkliche Nähe zwischen ihnen aufkommen zu lassen, ihm ging es vor allem darum, dass seine ihm lieb gewordenen Rituale stattfanden. Dazu gehörten die gemeinsam eingenommenen Mahlzeiten, die Amanda aufwändig zubereitete, oder auch die Wochenendausflüge mit ihrer Tochter Klara. Was die Ausflüge betraf, war Max sehr erfinderisch und ließ sich gern immer wieder mal etwas Neues einfallen. Beharrlich wählte er Orte aus, an denen sich glückliche Familien wohlfühlen mussten. Orte, an denen man mit
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