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Totennacht (German Edition)

Totennacht (German Edition)

Titel: Totennacht (German Edition)
Autoren: Todd Ritter
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schließen. Spontan stellte Maggie einen Fuß in den Türspalt und winselte vor Schmerzen, als das Türblatt den großen Zeh quetschte.
    Trotzdem hielt sie stand. «Was ist mit Becky?»
    «Was soll mit ihr sein?»
    «Vielleicht hat sie ihn gesehen.»
    Maggie wusste, dass Charlie eine Schwäche für Lees Frau hatte, auch wenn das dem Jungen selbst nicht so recht klar zu sein schien. Es war durchaus denkbar, dass er, von Lee unbemerkt, Becky aufgesucht hatte, um sich von ihr einen Keks anbieten, durchs Haar wuscheln oder wegen seiner aufgescheuerten Knie bemitleiden zu lassen.
    «Sie ist nicht zu Hause», sagte Lee nach kurzem Zögern. «Und sie kommt erst morgen zurück. Ich bin allein hier.»
    Mehr, so ahnte Maggie, würde sie fürs Erste nicht in Erfahrung bringen. Die Zeit verrann, und mit jeder Sekunde, die sie vor der Tür des Nachbarn zubrachte, ging eine Sekunde bei der Suche nach ihrem Sohn verloren. Sie entschuldigte sich bei Lee und kehrte ihm den Rücken.
    Als sie den Rasen überquerte und einen Blick über die Schulter zurückwarf, bemerkte sie, dass sich hinter einem der Fenster im Obergeschoss die Gardine bewegte. Jemand schaute ihr nach. Wer, war im Dunkeln nicht zu erkennen. Maggie ging weiter und tat so, als hätte sie nichts gesehen. Doch neugierig geworden, riskierte sie nach wenigen Schritten einen weiteren Blick. Hinter dem Fenster zeichnete sich jetzt eine Silhouette ab, eine schlanke Gestalt mit schulterlangem Haar.
    Eine Frau.
    Ob es sich um Becky Santangelo handelte, war nicht auszumachen. Es interessierte Maggie auch nicht. Aber Lee hatte gelogen. Er war definitiv nicht allein im Haus.

    Kieselsteine drückten sich in Maggies bloße Fußsohlen, als sie die Straße überquerte. Für die Schmerzen, die sie empfand, war sie dankbar, denn sie lenkten sie ein wenig von der Angst ab, die ihr die Brust zusammenschnürte.
    Wieder vor der eigenen Einfahrt angelangt, stellte sie fest, dass Ken ins Haus gegangen war. Sie sah ihn hinter dem Fenster im Wohnzimmer auf und ab gehen. Vorhin war ihm kaum anzumerken gewesen, wie ihm wirklich zumute war, doch jetzt, da er sich unbeobachtet fühlte, machte er aus seiner Verzweiflung kein Hehl. Er schloss die Augen und drückte Daumen und Zeigefinger über die Nasenwurzel, was er, wie Maggie wusste, immer dann tat, wenn er schlimme Kopfschmerzen hatte.
    Sie war geneigt, ins Haus zu gehen und ihn zu trösten. Trotz aller Schwierigkeiten, die sie in den vergangenen Monaten miteinander gehabt hatten, liebte sie ihn immer noch sehr. Aber auch Maggie brauchte Trost, und das Einzige, was sie trösten konnte, war Charlies Rückkehr. Darum drängte sie weiter, obwohl ihr die Arme vom Tragen des Kleinen müde und die Beine vor lauter Sorge schwach waren.
    Neben den Clarks und den Santangelos gab es einen dritten Nachbarn in der Straße, bei dem sie Charlie aber am allerwenigsten erwartete. Trotzdem musste sie zumindest nachfragen, wenngleich sie den Weg dorthin scheute.
    Es war das Haus neben dem eigenen, das älteste in der Straße, eine übertrieben schmuckvolle Villa im viktorianischen Stil, die neben den anderen Häusern uralt aussah. Charlie glaubte, dass es darin spuke, und behauptete, im Garten seien Kinder vergraben, die nachts als Gespenster durchs Haus gingen. Maggie fragte sich, wer ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt hatte, konnte aber nachvollziehen, dass das Haus mit seinen großen schwarzen Fensterläden und der windschiefen Dachterrasse zu phantastischen Spinnereien anregte. Die rundum verlaufende Veranda war ungewöhnlich geschwungen und ihren morschen Stufen nicht zu trauen.
    Nirgendwo im Haus brannte Licht, doch Maggie wusste, dass der Eigentümer zu Hause war. Er war immer zu Hause.
    «Mr. Stewart?» Maggie hob den Säugling auf die linke Schulter und klopfte mit der rechten Hand an die Tür.
    Dass niemand antwortete, überraschte sie nicht im Geringsten. Glenn Stewart kam nie an die Tür. Er ging, soweit Maggie wusste, auch nie aus.
    «Mr. Stewart? Kann ich Sie kurz sprechen?»
    Sie klopfte erneut und erinnerte sich, ihn das letzte Mal auf der verunglückten Heimkehrparty gesehen zu haben. Das ganze Debakel war auf ihre Idee zurückgegangen. Glenn hatte anscheinend keine Familie, und er hatte ihr leidgetan, als er aus Vietnam in das leere Haus zurückgekehrt war, das er von seinen Eltern geerbt hatte. Sie hatte einen Kuchen gebacken, die Nachbarn eingeladen und sich in den Kopf gesetzt, ihn mit einem Fest im eigenen Haus willkommen zu heißen.
    Doch
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