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Totenmontag: 7. Fall mit Tempe Brennan

Totenmontag: 7. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Totenmontag: 7. Fall mit Tempe Brennan
Autoren: Kathy Reichs
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auf meinem Schal. Tauben blieben eng zusammengedrängt sitzen, wenn ich vorbeiging, die kollektive Körperwärme war ihnen wichtiger als die Sicherheit einer Flucht.
    Unterwegs dachte ich an die Skelette im Pizzakeller. Würden sich die Knochen wirklich als die von toten Mädchen erweisen? Ich hoffte nicht, aber tief drinnen wusste ich bereits Bescheid.
    Ich dachte auch an Marie-Reine Pétit und trauerte um ein Leben, das durch unaussprechliche Bosheit beendet wurde. Ich fragte mich, wie es den Pétit-Kindern wohl ging. Der Vater im Gefängnis, weil er die Mutter ermordet hatte. Würden diese Kinder sich je wieder erholen, oder hatte das Grauen, das sie überfallen hatte, sie irreparabel geschädigt?
    Im Vorübergehen schaute ich mir kurz die McDonald’s-Filiale auf der anderen Seite des St. Laurent an, die dem Palais de Justice direkt gegenüber lag. Die Besitzer hatten einen Versuch mit dem Kolonialstil gewagt. Die Torbögen hatten sie entfernt, dafür aber blaue Markisen aufgespannt. Eigentlich funktionierte es nicht, aber sie hatten sich wenigstens bemüht.
    Die Erbauer des Montrealer Gerichtsgebäudes hatten sich mit architektonischer Harmonisierung nicht lange aufgehalten. Die mittleren Stockwerke waren ein rechteckiger Kasten mit vertikalen schwarzen Stangen über einem kleineren Kasten mit Glasfront. Die oberen Stockwerke ragten als gesichtloser Monolith in den Himmel. Das Gebäude passte in seine Umgebung wie ein Humvee, der in einer Amish-Kolonie parkt.
    Das Palais war gesteckt voll, als ich es betrat. Alte Damen in knöchellangen Pelzmänteln. Gangsta-Teens in Klamotten, die groß genug für ganze Armeen waren. Männer in Anzügen. Anwälte und Richter in schwarzen Roben. Die einen warteten. Die anderen eilten hin und her. Ein Dazwischen schien es nicht zu geben.
    Mich zwischen großen Topfpflanzen und Säulen mit vielfarbigen Strahlern hindurchschlängelnd, ging ich zu den Aufzügen am hinteren Ende der Eingangshalle. Kaffeeduft wehte aus dem Café Vienne herüber. Ich überlegte kurz, doch da ich bereits aufgedreht genug war, verzichtete ich auf eine vierte Tasse.
    Oben präsentierte sich ein ähnliches Bild, allerdings überwogen hier die Wartenden. Die Leute saßen auf Bänken aus rotem Lochblech, lehnten an den Wänden oder standen in Gruppen zusammen und unterhielten sich leise. Einige berieten sich mit Anwälten in kleinen Befragungszimmern entlang des Korridors. Keiner sah besonders glücklich aus.
    Ich suchte mir einen Platz vor 4.01 und zog die Pétit-Akte aus meiner Mappe. Zehn Minuten später kam Louise Cloutier aus dem Gerichtssaal. Mit den langen blonden Haaren und der übergroßen Brille wirkte die Staatsanwältin wie eine Siebzehnjährige.
    »Sie sind meine erste Zeugin.« Cloutiers Gesicht war angespannt.
    »Ich bin bereit«, sagte ich.
    »Ihre Aussage wird entscheidend sein.«
    Cloutiers Finger malträtierten eine Büroklammer. Sie hatte sich eigentlich tags zuvor mit mir treffen wollen, aber die Geschichte im Pizzakeller hatte das verhindert. Unser spätabendliches Telefongespräch hatte ihr dann nicht den Grad an Vorbereitung gebracht, den sie sich gewünscht hätte. Ich versuchte, sie zu beruhigen.
    »Ich kann die Spuren an den Knochen nicht eindeutig mit Pétits spezieller Bügelsäge in Verbindung bringen, aber ich kann sehr entschieden sagen, dass sie mit einem identischen Werkzeug beigebracht wurden.«
    Cloutier nickte. »Vereinbar mit.«
    »Vereinbar mit«, pflichtete ich ihr bei.
    »Ihre Aussage wird der Schlüssel sein, weil Pétit in seiner ursprünglichen Aussage behauptete, er hätte diese Säge nie gesehen.
    Eine Analytikerin aus Ihrem Labor wird aussagen, dass sie den Griff der Säge entfernt und am Schraubgewinde winzige Blutspuren entdeckt hat.« Das alles wusste ich schon aus unserem Gespräch vom letzten Abend. Cloutier rekapitulierte den Fall ebenso sehr für sich wie für mich.
    »Ein DNS-Experte wird aussagen, dass das Blut von Pétit stammt. Das bringt ihn mit der Säge in Verbindung.«
    »Und ich bringe die Säge mit dem Opfer in Verbindung.«
    Cloutier nickte. »Der Richter ist ein richtiger Korinthenkacker, was Expertengutachter angeht.«
    »Sind sie das nicht alle?«
    Cloutier warf mir ein nervöses Lächeln zu. »Der Gerichtsdiener wird Sie in ungefähr fünf Minuten aufrufen.«
    Es wurden dann eher zwanzig.
    Der Gerichtssaal war ein nichts sagender, modern gehaltener Raum. Graue Strukturtapete an den Wänden. Grau strukturierter Teppichboden. Grau
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