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Totenkuss: Thriller

Totenkuss: Thriller

Titel: Totenkuss: Thriller
Autoren: Uta-Maria Heim
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prächtiger Garten, in dem es blühte wie wild. Werden und Vergehn, dachte
Fehrle. Die Kreuzotter Kriemhild züngelte.
    Mit dem Audi fuhr er bis hinters Haus und öffnete dort den
Kofferraum. Entgegen der Vorhersage war es schwül warm, beinahe heiß. Jesus,
der du für uns Blut geschwitzt hast. Keuchend schaufelte Fehrle ein Loch und
beerdigte Olaf Hahnke auf dem Acker seiner Ahnen, dem Bannwald zu, dem Sumpf.
Er begrub ihn in einem Schlafsack auf dem Bauch liegend, mit zugeklebten Augen
und hochgebundenem Kiefer, Arme und Beine gefesselt. 24 Jahre lang hatte der
Mantelmörder Fehrles Energien abgezogen, und wenigstens im Grab sollte er Ruhe
geben, der Totenküsser. Doch noch während er den schweren Lehmboden vollends
aufschüttete, spürte Timo Fehrle, wie sein Heufieber zurückkehrte. Die Natur
hinkte im schattigen Staighäusle mindestens zwei Wochen hinterher, am Waldrand
blühten immer noch Buschwindröschen und Birken. Fehrle schwitzte und fror.
Entkräftet aß er mit dreckigen Händen einen Apfel, während die Symptome stärker
wurden. Die Nase schwoll an, die Lippen, die Augen juckten, die Bronchien zogen
sich zusammen. Ihn packte ein gewaltiges Pollenasthma. Wegen dem Apfel, der die
Symptome verschlimmerte, schwoll die Mundhöhle zu. Fehrle fasste sich an den
Kehlkopf. Er kriegte keine Luft mehr.
    Wolken zogen auf, schwarz, dräuend. Flohen wieder. Die Sonne
stach weiter. Von Ferne klang das Sterbeglöcklein. Amseln stießen Warnschreie
aus. Mit letzter Kraft schaufelte Fehrle das Loch zu. Dann brach er auf dem
frischen Grab zusammen, nur einen halben Meter entfernt von einem verwitterten
hohen Feldkreuz. Auf dem Sockel stand, eingemeißelt in den Stein, ein Gelöbnis
aus dem Jahr 1906: »Wand’rer steh stille. / Bedenke Gottes Wille. / Not u.
bitt’res Leiden / Bringen ew’ge Freuden.« Neben dem Hag lief der Weg wie eh und
je hinunter ins Tal. Vis-à-vis begann das Weizenfeld, das der Fehrlesbur
gepachtet hatte. Ein Haselnussbusch markierte die Grundstücksgrenze.
    Davor hockte Kafka und kratzte sich am Mittelscheitel. Er
duckte sich vor dem Angriff einer Amsel. Missgünstig glotzte er auf den
zugeschütteten Dreckhaufen, auf den Körper, der auf dem Bauch lag. Der
kastrierte Kater gab ein gedehntes Grollen von sich, ehe er den Hals streckte
und losjohlte. Er sang in den höchsten Tönen das Requiem in d-Moll, das Mozart
nie vollendet hatte.
    Da schlug aus fast heiterem Himmel der Blitz ein. Das
bucklige Transformatorenhäuschen am Rand des Gartens bäumte sich auf, ehe es im
Donner in sich zusammenfiel. Das Dies irae. Der Weltuntergang. Das Jüngste
Gericht. Welches Zittern wird sein. Das Surren hing noch in der Luft, als vom
Wald her der Fuchs kam.

Danksagung
    Thanks
to: Armin, Claudia, Eberhard, Fritz, Josef, Markus, Matse, Monika, Pauline,
Rainer, Robert, Sabine, Thomas
     

 
     
    ›Totenkuss‹ führt folgende Krimis zu Ende:
    ›Dreckskind‹, ›Das Rattenprinzip‹ und – vor
allem –
    ›Totschweigen‹ und ›Wespennest‹.
    ----
    [1]               plötzlich, unvermittelt, ohne vorherige Ankündigung,
aber dennoch intuitiv einleuchtend

     
    [2]            Der rote Karle simplifiziert hier auf völlig unzulässige Weise
das Zeitungssterben, das im Mittleren Schwarzwald an Komplexität und Tragik
kaum zu überbieten ist. Diese idiotische Passage zeigt: Er weiß es halt
manchmal auch nicht mehr so. Der Niedergang der Geisteskultur wütet an diversen
Brennpunkten (z.B. Rottweil, Oberndorf, Horb), die hier unberücksichtigt
bleiben. Nichtsdestotrotz: Die südwürttembergische Medienlandschaft ist zur
Gänze abgefackelt.

     
    [3]            Rechter Nebenzufluss der Schiltach, entspringt auf dem Sulgen.
Am Göttelbach befand sich eines der ersten Elektrizitätswerke Mitteleuropas.
1892 wurde in der Bissingisch-Gräflichen Mühle in Schramberg schon elektrischer
Strom produziert. Heute ist der Göttelbach weitgehend vertrocknet und ein Hort
für Schnaken, Ratten und Ungeziefer.

     
    [4]            Der rote Karle war bis zu seinem Schlägle Narrenpräsident in der
Hanselgilde gewesen.

     
    [5]               drauskommen: 1.) durchblicken, gedanklich zuordnen
können
2.) durcheinandergeraten, gedanklich nicht mehr zuordnen können

     
    [6]            Ja. Na, dann.

     
    [7]            dauern (mit Akkusativ): leise verägert leidtun, mit
melancholischem Zorn
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