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TotenEngel

TotenEngel

Titel: TotenEngel
Autoren: C Fischer
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Couch und ohne Simones Sessel aussehen würde. Die dunkelroten Orientteppiche mit den dicken Fransen konnten auch weg, genauso wiedie mit ehemals moosgrünem Samt bezogene Couch, die inzwischen fast farblos gesessen war. Die Deckenlampe mit dem Schirm aus hauchdünn geschliffenen Muscheln mochte er noch immer gern. Aber sonst brauchte er nichts aus diesem Zimmer, die Kommode nicht, die Schallplattenregale nicht und auch den Fernseher nicht.
    Während es allmählich hell wurde, sah er in seinen Gedanken den Raum um sich herum völlig leer. Er sah die nackten Dielenbretter unter seinen Füßen, und alles war in das schattige Grün getaucht, mit dem die Blätter der mächtigen Ulme vor den Fenstern das Tageslicht filterten. Er saß da in dem leeren Zimmer und dachte: Du bist nicht der erste Mann, der seine Frau zu früh verloren hat, und auch nicht der erste, der sich damit nicht abfinden will. Daran kannst du nichts ändern, nicht das Geringste. Es kümmert niemanden, ob oder wie sehr du sie geliebt hast. Niemanden außer dir, und deswegen musst du es schaffen weiterzumachen – einen Tag und noch einen und den danach. So ist das nun mal.

4
    Die Häuser auf dieser Seite der De Beerstraat standen halb verborgen hinter einer Reihe von hohen Akazien, deren Blätter sich bereits gelb färbten. Es war eine schmale Straße mit kleinen Obst- und Gemüseläden, Galerien, Cafés und Ateliers, und auch die Häuser waren schmal, und nur ihre verzierten Giebel ragten über die Bäume hinaus. In den bleigrauen Mauern saßen kleine, weiß umrahmte Fenster, in deren Scheiben sich der Nachmittagshimmel und die Sonne und die Kronen der Akazien spiegelten. An den Türen gab es Klingelschilder aus Messing, in die mit geschwungenen Buchstaben die Namen der Wohnungseigentümer geprägt waren. Der Commissaris drückte auf den Knopf neben den Namen G. & M. Zuiker. Er hörte das Klingeln hinter der Tür, einen gedämpften Dreiklang. Ein schönes Haus für einen Lehrer, dachte er; eine stille, gepflegte Straße.
    Aus einem offenen Fenster drang leise Barockmusik auf das Trottoir. Neben einem Fahrradständer schlief ein Labrador, seine Ohren zuckten. Bunte Schmetterlinge tanzten zwischen den handtuchgroßen Straßengärten, die aus dem Pflaster zu wachsen schienen. Unter der Markise eines Restaurants einige Häuser weiter beendeten zwei junge Männer und eine Frau mit leuchtend blondem Haar ein spätes Mittagessen. Eine halb volle Flasche Olivenöl auf dem Tisch zwischen ihnen glomm wie mit flüssigem Gold gefüllt.
    Mevrouw Zuiker, mein Name ist Van Leeuwen. Ich bin von der Polizei, es geht um Ihren Mann, Gerrit. Darf ich bitte eintreten?
    Vielleicht ist sie ja nicht da, dachte der Commissaris. Dann musste er wiederkommen. Er wollte es nicht am Telefon erledigen. Er musste so oft wiederkommen, bis sie wusste, dass ihr Mann nicht mehr am Leben war. Sie verdiente es, dass er selbst es ihr sagte, kein Beamter in Zivil oder Uniform, niemand, dem die Erfahrung mit dem Gefühl des Verlustes fehlte. Er wollte behutsam sein. In seinen Augen stellte der Tod ein Band zwischen den Lebenden her, zwischen denen, die hinterblieben waren.
    Es hatte fast den ganzen Vormittag gedauert, bis Hoofdagent Jan Brugman und seine Mannschaft bestätigen konnten, dass es sich bei dem Toten wirklich um den Gerrit Zuiker des Bibliotheksausweises in der Aktentasche handelte: dreiunddreißig Jahre alt, geboren in Zandvoort, verheiratet mit Margriet Zuiker, geborene Margriet Linda Brouwers. Gemeldet in Amsterdam, Lehrer an einer allgemeinbildenden Sekundarschule in Oost, keine Kinder, kein Waffenschein, keine Vorstrafen. Besitzer eines Bibliotheksausweises und einer Walther P 38, die allerdings nicht geladen gewesen war, wie die Untersuchung ergeben hatte.
    Der Commissaris drückte noch einmal auf den Messingknopf neben dem Namensschild der Zuikers. Wieder hörte er den gedämpften Dreiklang, und diesmal wurde die Tür geöffnet. Im Schatten des Treppenhauses stand eine schlanke junge Frau mit haselnussfarbenem Haar und schmal geschnittenem Gesicht. Sie trug einen leichten, ärmellosen Hausmantel aus verspieltgegeneinandergesetzten Stoffstreifen und Lederflicken in gedeckten Farben, der fast bis zu den Fußknöcheln reichte. Unter dem Mantel hatte sie eine weiße Bluse mit einem überlangen, ungestärkten Kragen an, dazu eine hellblaue, verwaschene Jeans. Die Bluse war vor dem Bauchnabel verknotet, und über dem Nabel formte ein straff sitzender bh aus dunkelroter Seide
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