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TotenEngel

TotenEngel

Titel: TotenEngel
Autoren: C Fischer
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zwei kleine Brüste zu elfenbeinweißen Halbkugeln. Weiße Riemchensandaletten gaben den Blick auf winzige Füße frei. Es waren zarte Füße, auch ihre Hände waren zart, und der Elfenbeinton fand sich auf den nackten Armen wieder, deren rechter sich so glatt und hell vom Türknopf zur Schulter der jungen Frau hinaufschwang wie der Stoßzahn eines jungen Elefanten.
    »Mevrouw Zuiker?«
    Die junge Frau sagte nichts. Sie betrachtete ihn mit großen graublauen Augen, neugierig und ängstlich zugleich. Den Kopf hielt sie leicht zur Seite geneigt, und das haselnussbraune Haar fiel glänzend auf die nackte Schulterbeuge hinab, wo die Verletzungen begannen.
    Der Commissaris erkannte nicht sofort, dass es sich bei den winzigen roten Strichen auf den Schultern um Verletzungen handelte, Striemen, Kratzer und Schnitte. Erst als die junge Frau einen Schritt auf die Tür zutrat und er auch im Gesicht auf Stirn und Wangenknochen kleine blaue Flecken bemerkte – überschminkt, aber im Sonnenlicht kaum zu übersehen –, begriff er. »Mein Name ist Bruno van Leeuwen, Hoofdbureau van Politie. Dürfte ich wohl einen Moment eintreten?«
    »Geht es um Gerrit?« Ihre Stimme war hell, fast eine Mädchenstimme.
    »Ist Gerrit der Name Ihres Mannes?«
    »Ja.« Die Stimme wurde etwas dunkler, nur ein wenig, aber nun klang sie nicht mehr wie die eines Mädchens. »Ist er tot?«
    »Lassen Sie mich bitte eintreten«, sagte der Commissaris. Er spähte an ihr vorbei in das enge Treppenhaus, das sie im gleichen Moment freigab, um ihn vorbeizulassen. Von der Diele führte ein kurzer Flur in einen großen Raum. Der Raum war mit dunklemParkett ausgelegt und so groß, als hätte er früher einmal als Laden oder Werkstatt gedient. Jetzt beherbergte er ein Blumenmeer.
    Rote und gelbe Rosen, Tulpen in allen Farben, weiße Nelken, Lilien und Orchideen, Veilchen, Hyazinthen, Trompetennarzissen und Tausendschön wuchsen und blühten kunterbunt durcheinander in Töpfen und Kästen. Die Blätter und Knospen glänzten wie poliert. Zwischen den Fenstern zur Straße standen Gummibäume und kleine Palmen. Auf der anderen Seite, wo eine Glasfront den Blick auf den Hof eines Fahrradverleihs freigab, filterten mehrere große Farne und Schilfsträucher das Tageslicht. Kein Wohnzimmer, auch kein Arbeitsraum, trotz der beiden überladenen Schreibtische in der Mitte – ein Gewächshaus.
    Außer den Schreibtischen gab es in dem von süßem, schwerem Blumenduft erfüllten Gewächshaus noch zwei Holzschränke mit Rolljalousien, eine weiße Leinencouch, einen Polstersessel und eine Stereoanlage. An einer Wand zeigten sich die Umrisse eines offenbar erst kürzlich abgehängten großen Bilderrahmens. Die hellbraunen Vorhänge an den Fenstern zur Straße waren halb zugezogen, aber in der Glasfront zum Hof des Fahrradverleihs stand ein Flügel offen. Der Commissaris konnte einen jungen Mann und eine Frau vor dem in der Sonne schimmernden Durcheinander aus Metallrahmen, Rädern, Felgen und Sätteln hin und her gehen sehen, beide mit Luftpumpen in den Händen.
    »Bitte, was ist mit Gerrit?« Margriet war dem Commissaris gefolgt und in der Mitte des Raumes stehen geblieben, die schlanken Arme jetzt vor der Brust verschränkt. Ihre Stimmlage konnte sich nicht für eine Höhe entscheiden.
    Der Commissaris fragte: »Warum halten Sie es für möglich, dass Ihr Mann tot sein könnte?«
    »Er ist gestern Nacht nicht nach Hause gekommen.« Sie sah zu dem offenen Fensterflügel hinüber. Ihre Kehle bewegte sich, aber ihr Gesicht nicht. Es war starr vor Angst, als hätte man es gegen eine genauso hübsche, nur leicht von schlecht gekitteten Sprüngen gezeichnete Porzellanmaske ausgetauscht. »Wenn ein Mann – wenn jemand nachts nicht nach Hause kommt, und am nächsten Tagsteht ein Polizist vor der Tür, muss man dann nicht annehmen …? Es ist doch so … er ist tot?«
    »Sie haben recht«, sagte der Commissaris und stellte fest, dass er vergessen hatte, wie man behutsam vorging. »Aber wir kennen die genauen Umstände seines Todes noch nicht.«
    Margriet nickte. Ihr Blick schien plötzlich viel weiter zu reichen als nur bis zu dem offenen Fenster und dem Hof des Fahrradverleihs. In den Augenwinkeln zeigten sich Tränen, die sie nicht fortwischte. Sie streckte eine Hand aus, als wollte sie sich festhalten, und als sie ins Leere griff, schien sie es sich anders zu überlegen und schloss beide Arme fest um ihren Oberkörper.
    »Kann ich etwas tun, Mevrouw Zuiker?«, fragte der
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