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Totenbuch

Totenbuch

Titel: Totenbuch
Autoren: Patricia Cornwell
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sondern sexuelle Erregung.«
    »Allerdings haben wir keine Hinweise auf
Vergewaltigung gefunden«, sagt der Leiter des kriminaltechnischen Labors der
Carabinieri. Mit Hilfe der Dolmetscherin erklärt er, der Täter habe weder
Samenflüssigkeit noch Blut oder Speichel hinterlassen. Natürlich können diese
Spuren auch vom Regen weggespült worden sein. Jedoch wurde DNA von zwei
unterschiedlichen Quellen unter ihren Fingernägeln sichergestellt. Bis jetzt
haben sich die Profile, wie er weiter erklärt, jedoch als wenig hilfreich
erwiesen, denn die italienische Regierung gestattet es aus datenschutzrechtlichen
Gründen nicht, Verdächtigen einen genetischen Fingerabdruck abzunehmen. In
italienische Datenbanken können derzeit die Merkmale lediglich unter
Gesichtspunkten eines Falles eingegeben werden, allerdings nicht namentlich
sortiert nach Einzelpersonen.
    »Also gibt es in Italien keine Ermittlungen auf der
Basis von Datenbanken«, fügt Capitano Poma hinzu. »Wir können nur feststellen,
dass die unter Drews Fingernägeln festgestellte DNA nicht mit der einer in
Italien oder den Vereinigten Staaten ansässigen Person übereinstimmt.«
    »Ich nehme an, die DNA-Spuren unter den Fingernägeln
des Opfers stammen von weißen Männern europäischer Herkunft«, sagt Benton.
    »Ja«, erwidert der Leiter des Labors.
    »Dr. Scarpetta«, sagt Capitano Poma. »Bitte fahren
Sie fort.“
    »Dürfte ich Autopsiefoto Nummer sechsundzwanzig
sehen?«, beginnt sie. »Die Rückenansicht
während der äußeren Untersuchung mit einer Nahaufnahme der Verletzungen.«
    Die Bilder erscheinen auf der Leinwand. Zwei dunkel
rote Krater mit schartigen Rändern. Der rote Punkt des Laserpointers gleitet
über die schwere Wunde, wo sich die rechte Gesäßhälfte befunden hat. Dann
wandert er zu der zweiten fehlenden Körperpartie am rechten Oberschenkel.
    »Verursacht durch ein scharfes Schneideinstrument
mit einer gezackten Klinge, das die Muskeln durchtrennt hat und bis zum Knochen
vorgedrungen ist«, erläutert Scarpetta. »Da keine Reaktionen des Bindegewebes
auf die Verletzungen erfolgt sind, ist davon auszugehen, dass es nach dem Tod
geschah.«
    »Verstümmelung nach dem Tod schließt Folter aus -
zumindest was die Schnittverletzungen angeht«, ergänzt Benton.
    »Aber welche Erklärung außer Folter gibt es dann?«,
fragt Capitano Poma, und die beiden starren einander an wie zwei männliche
Alphatiere beim Revierkampf. »Weshalb sollte ein Mensch einem anderen solch
sadistische, entstellende Wunden zufügen? Sagen Sie, Dr. Wesley, haben Sie in
all Ihren Berufsjahren vielleicht schon ähnliche Fälle erlebt? Schließlich
waren Sie früher ein berühmter Profiler beim FBI.«
    »Nein«, erwidert Beton barsch, denn er empfindet
jegliche Anspielung auf seine Tätigkeit beim FBI als
Seitenhieb. »Ich habe Verstümmelungen gesehen. Allerdings niemals solche.
Insbesondere wenn man bedenkt, was er mit ihren Augen gemacht hat.«
    Der Täter hat die Augäpfel des Opfers entfernt, die
Augenhöhlen mit Sand gefüllt und die Lider anschließend zugeklebt.
    Scarpetta erläutert das Vorgehen. Wieder läuft
Benton ein Schauer den Rücken hinunter. Alles an diesem Fall bestürzt und
fasziniert ihn gleichzeitig. Was haben die Symbole zu bedeuten? Augenausstechen
ist für ihn nichts Neues. Doch Capitano Pomas Vermutungen sind an den Haaren
herbeigezogen.
    »Dieser alte griechische Sport, das Pankration,
vielleicht haben Sie ja schon davon gehört?«, wendet sich Capitano Poma an die
Runde. »Dabei darf man alle Mittel anwenden, um den Gegner schachmatt zu
setzen. Damals war es üblich, dem Widersacher die Augen auszustechen oder ihn
mit einem Messer oder durch Erwürgen zu töten. Drew wurden die Augen
ausgestochen. Und sie wurde erwürgt.«
    Der General der Carabinieri wendet sich mit Hilfe
der Dolmetscherin an Benton: »Gibt es möglicherweise einen Zusammenhang zum
Pankration? Hat der Täter das Opfer vielleicht im Hinblick darauf erdrosselt
und ihm die Augen ausgestochen?«
    »Das glaube ich nicht«, erwidert Benton. »Beim
Pankration war zwar nahezu jede Kampfmethode erlaubt und üblich, nicht aber,
den Gegner zu beißen oder ihm die Augen einzudrücken beziehungsweise
auszureißen.«
    »Welche Erklärung kann es dann geben?«, hakt der
General nach. Wie Capitano Poma trägt er eine prächtige Uniform mit noch mehr
Silberknöpfen und Tressen an den Manschetten und dem hohen Kragen.
    »Ich denke, das Motiv liegt nicht so offensichtlich
auf der Hand.
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