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Totenbuch

Totenbuch

Titel: Totenbuch
Autoren: Patricia Cornwell
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Ostia interessieren. »Ich mag den
schwarzen Sand nicht und würde niemals dort ins Wasser gehen.«
    »Ich finde, dass die Herkunft dieses geheimnisvollen
Sandes uns zu denken geben sollte«, sagt Benton. Inzwischen ist es später
Nachmittag, und die Anwesenden werden allmählich unruhig.
    »Warum eigentlich Sand? Offenbar hat der Sand -
insbesondere dieser Sand - für den Täter eine ganz bestimmte Bedeutung. Er
könnte uns einen Hinweis darauf geben, wo Drew ermordet wurde oder wo der Täter
sich häufig aufhält.«
    »Ja, schon gut«, erwidert Capitano Poma lapidar.
»Die Sache mit den Augen und die schrecklichen Wunden sind für den Täter sicherlich
auch ein Symbol. Zum Glück ist es uns gelungen, zu verhindern, dass diese
Einzelheiten in den Medien bekannt werden. Die Öffentlichkeit weiß nichts
davon. Falls es also zu einer ähnlichen Tat kommt, steht fest, dass wir es
nicht mit einem Trittbrettfahrer zu tun haben.«
     
    2
     
    Sie sitzen zu dritt bei Kerzenschein im Tullio, einer
beliebten Trattoria mit Sandsteinfassade unweit der Theater, nur einen Katzensprung
entfernt von der Spanischen Treppe.
    Die Tische sind mit hellgelben Tüchern gedeckt. An
der mit dunklem Holz vertäfelten Wand hinter ihnen befinden sich Weinregale.
Aquarelle, die ländliche italienische Szenen darstellen, schmücken die Wände.
Bis auf einen Tisch mit betrunkenen Amerikanern ist es ruhig im Lokal. Doch
die sind voll und ganz mit sich selbst beschäftigt. Dasselbe gilt für den
Kellner, der eine beigefarbene Jacke und eine schwarze Krawatte trägt. Keiner
der Anwesenden interessiert sich für das, was Benton, Scarpetta und Capitano
Poma gerade erörtern. Und wenn doch jemand in Hörweite kommt, wechseln sie
rasch das Thema, reden über Belangloses und lassen Fotos und Berichte
blitzschnell in ihren Mappen verschwinden.
    Scarpetta trinkt einen Schluck von ihrem 1996er Biondi
Santi Brunello, der sehr teuer, allerdings nicht der Wein ihrer Wahl ist, wenn
man sie - wie es eigentlich üblich ist - gefragt hätte. Ohne den Blick von dem
Foto neben ihrem Teller abzuwenden, stellt sie ihr Glas ab. Als Vorspeise isst
sie Melone mit Parmaschinken. Danach hat sie gegrillten Barsch und Bohnen in
Olivenöl bestellt. Vielleicht wird sie sich zum Nachtisch Himbeeren gönnen,
falls Bentons immer schlechter werdendes Benehmen ihr nicht endgültig den
Appetit verdirbt. Das kann durchaus noch passieren.
    »Auch wenn ich die Dinge vielleicht ein wenig zu
sehr vereinfache«, sagt sie leise, »werde ich das Gefühl nicht los, dass wir
etwas Wichtiges übersehen haben.« Mit dem Zeigefinger klopft sie auf ein
Fundortfoto im Fall Drew Martin.
    »Also stört es Sie jetzt plötzlich nicht mehr, ein
Thema wieder und wieder durchzukauen?« Inzwischen lässt Capitano Poma keinen
Zweifel mehr daran, dass er ihr den Hof macht. »Sehen Sie? Gutes Essen und
Wein. Das hilft dem Verstand auf die Sprünge.« Er tippt sich an die Stirn, so
wie Scarpetta gerade eben auf das Foto.
    Mit nachdenklicher Miene fabuliert sie ins Blaue
hinein: »Da ist etwas, das uns und allen anderen einfach nicht aufgefallen
ist«, beharrt sie. »Häufig sieht man ja, wie es so schön heißt, den Wald vor
lauter Bäumen nicht. Was ist es? Was will sie uns sagen?«
    »Gut. Also machen wir nochmal die Augen auf«,
beginnt Benton. Nur selten hat Scarpetta ihn in so feindseliger und abweisender
Stimmung erlebt. Er macht kein Hehl aus seiner Verachtung für Capitano Poma,
der nun einen eleganten Nadelstreifenanzug trägt. Die goldenen
Manschettenknöpfe, versehen mit dem Emblem der Carabinieri, funkeln im
Kerzenlicht.
    »Ja, wir wollen jeden Zentimeter ihrer nackten Haut
betrachten, wie sie war, bevor die Experten sich über sie hergemacht haben.
Ganz unberührt. Genau so, wie der Täter sie liegen gelassen hat«, sagt Capitano
Poma und blickt dabei Scarpetta an. »Denn das erzählt uns seine Geschichte,
oder? Ach, und ehe ich es vergesse. Heute ist unser letzter Abend in Rom.
Zumindest bis auf weiteres. Lassen Sie uns darauf anstoßen.«
    Es wirkt unpassend, die Gläser zu erheben, während
die nackte Leiche der jungen Frau auf den Fotos gewissermaßen dabei zusieht.
    »Außerdem gebührt ein Toast dem FBI«, fährt Capitano
Poma fort. »Das offenbar wild entschlossen ist, aus diesem Mordfall einen
Terrorakt zu machen. Das beste weiche Ziel von allen: ein amerikanischer
Tennisstar.«
    »Es ist Zeitverschwendung, auch nur ein Wort darüber
zu verlieren«, erwidert Benton und greift nach seinem
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