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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition)
Autoren: Manfred Köhler
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eine wachsende Wut darüber, ständig unterbrochen zu werden, und daraus nährte sich eine neue Schwäche. Sie wollte weder die Biographin dieses despotischen Häufchens Muskelschwund sein noch eine Minute länger als nötig auf dieser Burg am Arsch der Welt und in Gesellschaft einer mutmaßlichen Giftmischerin und ihres unsympathischen Opfers bleiben. Aber sie musste. Musste sie?
    „Müssen Sie nicht.“
    „Wie bitte?“
    „Sie denken doch darüber nach, ob Sie hinschmeißen sollten, aber sehen keine andere Wahl als weiterzumachen, weil Sie das Geld brauchen. Schmeißen Sie ruhig hin. Ich zahle Ihnen genug Schweigegeld, damit Sie erst mal über die Runden kommen.“
    „Schweigegeld?!“
    „Natürlich nur gegen Unterzeichnung eines rechtsgültigen Vertrages.“
    „Ich unterzeichne gar nichts.“
    „Dann bleiben Sie also bei der Stange?“
    Er schickte einen Blick zu ihr hoch, der wohl als bittend ankommen sollte, aber zu raubvogelhaft war, um aufrichtig zu wirken.
    Amelie schüttelte den Kopf.
    „Ich will mal folgendes klarstellen: Ich bin Schriftstellerin.“
    Sie lauschte dem Klang ihrer eigenen Worte nach und staunte, denn sich als Schriftstellerin zu bezeichnen, hatte sie bisher nie gewagt – aber sah sich jetzt durch und durch als solche.
    „Na und?“
    „Ich bin hier, um zu schreiben, sonst nichts. Ich lasse mich nicht in den Kleinkrieg zwischen Ihnen und Ihrer Ärztin reinziehen.“
    „Wenn Sie denken, das geht.“
    „Was?“
    „Nur den nackten Job zu machen. Betrachten Sie doch lieber alles, was hier passiert ist und noch passieren wird, als sprudelnde Quelle wertvoller Erfahrungen. Braucht man das nicht als Schriftstellerin: Erfahrungen? Was haben Sie zu verlieren?“
    „Bloß mein Leben, falls das mit dem Gift stimmt.“
    „Kommen Sie her!“
    „Was? Wieso?“
    Amelie hielt zwei Meter Abstand zu dem Stinker und war ihm damit noch mehr als nah genug.
    Er hob seine krumme, knöcherne Klaue und präsentierte ein Bündel 100-Euro-Scheine.
    „Weil ich Ihnen das Geld nicht vor die Füße werfen will. Das wäre respektlos.“
    „Wofür ist das Geld?“
    „Vorschuss auf Ihren Lohn, was sonst. Damit sind Sie Selbstversorgerin. Rufen Sie sich jeden Tag ein Taxi, wenn Sie kein Auto haben. Fahren Sie runter in die Stadt, kaufen Sie alles, was Sie brauchen. Übernachten Sie meinetwegen in einem Hotel. Verweigern Sie hier oben jegliche Nahrungsaufnahme. Dann kann niemand Sie vergiften.“
    „Na gut.“
    Zögernd nahm Amelie das Geld entgegen.
    „Dann können wir jetzt endlich weitermachen?“
    „Ja.“
    Sie setzte sich an ihren Arbeitsplatz und konnte nicht glauben, dass sie hierblieb und weitermachte. Sie wollte das nicht. Aber es wäre blöd rübergekommen, nach dem Vorschuss Bergenstrohs und ihrer Zustimmung nun doch wieder nein zu sagen. Außerdem hatte er recht: Sie war gierig nach neuen Erfahrungen. So sehr er und diese Spinnerin ihr zuwider waren, sie wollte wissen, wie dieses seltsame Gespann zusammengefunden hatte, was es zusammenhielt - und wie es mit ihnen dreien nun weiterging.
     
    „Der nächste, bitte.“
    Die beiden Wartenden erhoben sich gleichzeitig.
    „Immer einer nach dem anderen, Jungs.“
    „Wir gehören zusammen.“
    „Als Pärchen?“
    Die Frau im weißen Kittel lächelte ganz leicht.
    „Was meinen Sie mit Pärchen?“
    „Seid ihr Zwillinge?“
    „Nein.“
    „Warum seht ihr euch so ähnlich?“
    „Keine Ahnung. Vielleicht, weil wir Brüder sind.“
    „Na gut. Ich muss euch irgendwie unterscheiden. Du bist Hase. Und du da bist Gnom.“
    „Wieso denn Gnom?!“
    „Wäre dir Zwerg lieber?“
    „So klein bin ich gar nicht!“
    „Und wieso soll ich Hase heißen?“
    „Wegen deiner Hasenscharte.“
    „Das ist aber keine.“
    „Ach nein? Was denn dann?“
    „Wie wär’s mit unseren richtigen Namen?“, wich er nach kurzem Zögern aus. „Gibt es keine Sprechstundenhilfe, die unsere Daten aufnimmt?“
    „Nein, gibt es nicht. Kommt rein, Jungs.“
    „Was ist, wenn wir keine Krankenkasse haben? Wollen Sie bar kassieren?“
    Die Frau im weißen Kittel lächelte freundlich.
    „Ich bitte euch schon noch früh genug zur Kasse. Kommt in mein Sprechzimmer oder verpisst euch.“
    Ihr Lächeln wurde noch strahlender und ließ die Ausfälligkeit dahinter verglimmen.
    „Los jetzt, Hase! Du zuerst.“
    Er zögerte, warf ihr einen wütenden Blick zu und schob dann zum Trotz seinen kleineren Bruder als ersten durch die Tür. Ohne aufgefordert worden zu sein, setzten sie sich
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