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Tote lieben laenger

Tote lieben laenger

Titel: Tote lieben laenger
Autoren: Scott Nicholson
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aufrufen", sagte Buick-Hirn. Ein paar kleine Splitter blutigen Glases fielen aus seinem grinsenden Gesicht.
    Ich lehnte mich zurück und hielt Ausschau nach einer Zeitung. Damit hatte ich kein Glück, aber ich sah eine Ausgabe von "Time" auf dem Tischchen neben mir. Unter einer Topfpflanze aus Plastik.
    Auf dem Cover war Johannes der Täufer. Der Mann des Jahres. Die Zeitschrift war zerknittert und verströmte den Geruch einer Billardhalle. Als ich sie zurücklegte, bemerkte ich einen Aschenbecher unter der Pflanze. Ich tastete meine Sakkotasche ab.
    Buick-Hirn gab ein komisches Geräusch von sich, indem er mit der Zunge gegen seinen zahnlosen Oberkiefer schnalzte. Er deutete auf ein "Rauchen verboten"-Schild, das mit Klebeband an der billigen Wandverkleidung angebracht war.
    "Bist du sicher, dass wir nicht in der Hölle gelandet sind?" fragte ich.
    "Zumindest behaupten sie das. Und ich glaube nicht, dass die lügen würden."
    Ich seufzte und verschränkte die Arme. Ein oder zwei Jahre vergingen. Ich überlegte mir, ob in meinem alten Leben die Weihnachtskarten, die ich abgeschickt hatte, irgendwo auf einem Stapel unzustellbarer Post gelandet waren. Einschließlich der einen, ganz speziellen Karte, die ich mit sieben Küssen und einem Bändchen verschlossen hatte.
    "Wie heißt du, Kumpel?" fragte mein Banknachbar. Offensichtlich einer von der gesprächigen Sorte.
    Ich hatte Geplauder immer gehasst. Wenn mir ein Gespräch nicht die gewünschte Information brachte, war es Zeitverschwendung. Aber es sah so aus, als hätte ich ziemlich viel Zeit zu verschwenden. Die Uhr tickte immer noch seitwärts. "Richard Steele."
    "Steele, hä? Und was hast du so gemacht... dort ?"
    Mir gefiel die Art nicht, wie er "dort" gesagt hatte, so als sei die Wirklichkeit ein Ort, aus dem wir auf Ehrenwort entlassen worden waren.
    "Ich bin ein–" Ich zögerte. Diese Sache verwirrte mich. Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart vermischten sich zu einem Brei, der das Tafelbild von Mrs. Dempsey in der siebten Klasse so einfach wie das ABC erscheinen ließ. "Ich war Privatdetektiv."
    "Ein Detektiv? Wirklich?" Sein Gekicher verursachte einen weiteren Splitter-Regen.
    "Ja. Na und?" Jeder dachte, Detektive würden Schlapphüte wie Bogart und Mäntel wie Colombo tragen. Aber Kostüme waren nun wirklich keine große Hilfe bei den verdeckten Ermittlungen, der Lauferei und vor allem der Warterei, die neunzig Prozent des Jobs ausmachte. Schundromane hatten uns einen unverdienten Ruf als hartherzige, trunksüchtige Weiberhelden eingebracht. Als ob es irgendeine andere Art von Weiberhelden gäbe.
    "Du bist ein Schnüffler", sagte er, ein wenig zu vergnügt. "Ein totgeschnuffter Schnüffler."
    Wenn ich in der Lage gewesen wäre, mich zu bewegen, hätte ich dem Trottel eine gescheuert und mir seinen letzten Zahn geschnappt. Oder ich hätte zumindest das Lenkrad ein paar Umdrehungen tiefer in seinen Brustkorb befördert. Aber ich wusste nicht, wie es um mein Karma bestellt war. Wenn das hier der Scheideweg zwischen Himmel und Hölle war, konnte ein wenig gutes Benehmen in letzter Minute nichts schaden. Deshalb schloss ich einfach die Augen und dachte an Lee.
    Ah, das war wie Balsam für die Augen einer schmerzenden Seele. Lee, mit kurzem blondem Haar, das sich lockig um ihr Gesicht legte, einfach so, ohne Besuch im Friseursalon. Und grasgrüne Augen, mit gelben und braunen Sprenkeln, die Art, in die man ein oder zwei Leben lang blicken möchte. Und ihr Körper ... angenehm fleischig, nicht wie diese spröden Zahnstocher, die von den Zeitschriften dazu benutzt werden, zusammengeschusterte Mode und Migräne verursachendes Parfüm zu verkaufen. Sie zerbrach nicht, wenn man mit ihr herumturnte.
    Sie war die interessanteste Person, die ich jemals getroffen hatte, und auch die widersprüchlichste. Sie mochte Bücher und Knarren, Gartenarbeit und American Football, Karate und Shopping in Boutiquen. Im College war sie Mitglied der Sportschützengruppe gewesen, aber sie verabscheute die Politik der Schusswaffenlobby. Sie würde nicht mal im Traum daran denken, auf ein lebendes Tier zu schießen, aber ich hatte keinen Zweifel daran, dass sie einen fliehenden Vergewaltiger mit einem Schuss zur Strecke bringen würde.
    Es gab nur wenige Dinge, die wir beide mochten, aber wir respektierten unsere unterschiedlichen Geschmäcker. Wenn sie an spätherbstlichen Sonntagnachmittagen den Fernseher anstellte, kurvte ich mit dem Auto in Santa Monica herum. Wenn sie eine ihrer
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