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Tote lieben laenger

Tote lieben laenger

Titel: Tote lieben laenger
Autoren: Scott Nicholson
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fragte ich.
    "Die schicken mich nach Detroit."
    "Hey, ich dachte, du stehst auf Autos. Das klingt wie der Himmel."
    "Klar. Aber ich soll den Edsel wieder aufleben lassen."
    Ich klopfte ihm auf den Rücken, wodurch etwas in ihm zu klappern begann. "Das Pleitemodell von Ford aus den fünfziger Jahren? Tut mir leid, Kumpel. Du hast mein Mitgefühl."
    Ich ging durch die Tür, aus der er gekommen war. An den Wänden waren Aktenschränke aufgereiht, aus deren Fächern Formulare, Zettel und Quittungen quollen. Papierstapel schwankten auf dem Schreibtisch wie instabile Denkmäler. Ganz offensichtlich waren Computer noch nicht im Jenseits angelangt. Eine weibliche Stimme krabbelte aus dem Durcheinander hervor. "Nehmen Sie Platz, Mr. Steele."
    Ich saß auf einem Holzstuhl, im Vergleich zu dem die Bank im Wartesaal wie ein Thron wirkte. Durch eine Lücke im Papierkramgebirge sah ich eine verrunzelte Frau mit Blümchenhut und Bibliothekarinnenbrille. "Äh... Hallo", erdreistete ich mich.
    Sie las in einer Mappe, bei der es sich vermutlich um mein Dossier handelte. Ihr Mund verzog sich zu einem Ausdruck der Qualen einer Büroangestellten. "Warum muss immer ich diese Fälle kriegen?" fragte sie und verdrehte die Augen.
    "Vielleicht die Strafe für ein vergangenes Leben voller Spaß?" Ich konnte dieser kleinen sarkastischen Stichelei nicht widerstehen. Das war mein Verteidigungsmechanismus, die Art und Weise, wie ich mit Unsicherheit fertig wurde. Sterben ändert einiges, aber nicht alles.
    Sie blickte mich nicht an, während sie die Dokumente durchblätterte. "Einiges gut... Vieles schlecht... Aber dann, einige wirklich, wirklich gute Taten. Wissen Sie, was Sie sind?"
    "Ein Megalomane?" antwortete ich. Ich hatte das Wort in einem Taschenbuch gelesen, mit dem ich mir die Zeit vertrieb, während ich das Liebesnest eines Fremdgehers beobachtete. Ich wusste nicht, was es bedeutete, aber es klang beeindruckend.
    Sie nahm ihre Brille ab und starrte hart mich an. Ihre Augen waren wie Öltropfen. "Sie sind ein Zwischenmensch. Eine schwierige Aufgabe. Eine halbgare Entschuldigung für eine Seele, die nie herausfinden konnte, was ihr Schicksal sein sollte."
    "Und ... ist das schlecht?"
    Sie wedelte mit ein paar Blättern, und in diesem Moment wusste ich, dass sie sich in ihrem persönlichen Himmel befand. Verzweiflung war ihr Lieblingszustand, und sie war mit einer ganzen Ewigkeit davon belohnt worden. "Nun, mir macht das nichts aus. Aber es kommt darauf an, was Sie wollen."
    Sie ließ es so klingen, als ob ich eine Wahl hätte, hier, jetzt, tot. So viel zum Thema die sterbliche Hülle abschütteln. Ich bereute kurz die lasterhaften Gelegenheiten, die ich an mir hatte vorüberziehen lassen, ohne sie auszunutzen. Nicht, dass es viele gewesen waren. "Warum hängt es von mir ab?"
    Sie setzte ihre Brille wieder auf, damit sie mich darüber hinweg böse anstarren konnte. "Wollen Sie in den Himmel oder in die Hölle?"
    "In den Himmel natürlich."
    "Das sagen alle. Aber denken Sie erst mal darüber nach. Die Hölle ist die einfache Variante, und all Ihre Freunde werden da sein. Sie werden ein Entschlüsselungsblatt für die Rückwärts-Aufnahmen von Led Zeppelin bekommen. Es gibt dort eine Menge heiße Mädels und genug Hollywood-Agenten, die Sie zum Mittagessen einladen. Aber um in den Himmel zu kommen, muss man Opfer bringen. Und verteufelt viel Glauben besitzen."
    Nun, Opfer konnte ich bringen, aber der Glaube war einer meiner Schwachpunkte. Dort im Land der Lebenden, das ich soeben erst verlassen hatte, bereitete sich die Hälfte der Welt gerade darauf vor, die Geburt ihres Erlösers zu feiern – obwohl ich mir sicher war, dass die meisten von ihnen einen Schock bekommen würden, wenn es klingelte und tatsächlich Jesus Christus vor der Tür stünde. Mir hat der Geburtstag des Kerls persönlich nie viel bedeutet, aber Zuckerstangen und Eierpunsch trafen meinen Geschmack. Und ich hatte eine Schwäche für "Stille Nacht".
    In den Himmel zu gelangen lag vermutlich in weiter Ferne für mich, aber ich bin die Art von Mensch, die Herausforderungen mag. Ein Selbst-Motivator. Vor meinem Tod hätte ich keine zwei Sekunden mit Gedanken an Religion, jungfräuliche Geburt und Gott verschwendet, ganz zu schweigen davon, mich zu einer Ewigkeit weiterer Knechtschaft zu schleimen. Aber das Sterben ändert die Dinge. Das werden Sie eines Tages selbst auch noch herausfinden.
    Ich faltete meine Hände in meinem Schoß, wie ein Bestatter, der aus
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