Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tote Kehren Nicht Zurück

Tote Kehren Nicht Zurück

Titel: Tote Kehren Nicht Zurück
Autoren: Granger Ann
Vom Netzwerk:
nämlich Kates Eintreffen. Ohne Vorwarnung hörte er ihre Stimme ganz nah bei seinem Ohr.

    »Hallo?« Er wirbelte herum und sah sie auf dem unteren Treppenabsatz stehen, wo sie über das Geländer gelehnt zu ihm heruntersah. Ihr Gesicht war nur wenige Zentimeter über dem seinen, als er aufblickte. Die Spitzen ihrer prachtvollen Haare streiften über seinen Kopf, und es fühlte sich an, als würde eine elektrische Ladung durch ihn hindurchfahren.

    »Hallo«, antwortete er heiser. Sie sagte nichts, sondern wartete ab. Er war gezwungen weiterzureden.

    »Ich bin vorbeigekommen, um zu sehen, wie es Ihnen geht.«

    »Mir geht es gut – jedenfalls angesichts der Umstände. Macht die Polizei immer hinterher Anstandsbesuche?«

    »Das hat nichts mit der Polizei zu tun!« Prescott war plötzlich ärgerlich.

    »Ich bin aus eigenem Antrieb hier. Ihretwegen, heißt das.« Sie richtete sich auf und kam die restlichen Stufen herunter zu ihm. Nun musste sie zu ihm aufblicken, und er sah zum ersten Mal, wie klein sie in Wirklichkeit war. Ihre unglaubliche Persönlichkeit hatte sie irgendwie immer größer erscheinen lassen, als sie tatsächlich war. Doch nun sah sie so zerbrechlich aus wie eine von jenen Porzellanfiguren auf Großmutter Josses Kaminsims. Dann begegnete er ihrem direkten, resoluten Blick, und schon war er es wieder, der sich klein und unbedeutend fühlte.

    »Ich brauche niemanden, der hinter mir herrennt und mich fragt, wie es mir geht!«, sagte sie scharf.

    »Mir geht es bestens, das habe ich Ihnen bereits gesagt. Man hat mir im Krankenhaus ein Gegenmittel gegeben. Ich bin wieder fit – und ich habe zu tun, also wenn es nichts Wichtiges ist …« Er schluckte.

    »Die Haushälterin hat gesagt, Sie würden packen … bedeutet das, dass Sie abreisen?« Sie stieß ein ungeduldiges Zischen aus.

    »Ja.«

    »Sofort? Heute noch?« Er wollte nicht erschreckt klingen, doch er wusste, dass es genauso bei ihr ankam.

    »Hier gibt es nichts, das mich halten könnte.« Falls sie sich der Grausamkeit dieser Worte bewusst war, dann zeigte sie es nicht.

    »Ich bin nur nach Tudor Lodge zurückgekommen, um meine Sachen zu holen. Ich kann gar nicht schnell genug von hier verschwinden, glauben Sie mir.« In ihrer Stimme schwang Bitterkeit, und er glaubte, sie zu verstehen. Sie war mit solchen Hoffnungen hergekommen. Genau wie er. Auch er war mit Hoffnungen hergekommen.

    »Ich dachte, Sie hätten vielleicht Lust, mit mir essen zu gehen oder sonst irgendwas.« Es klang lahmer, als er gewollt hatte, also fügte er mit einer Spur von Aufsässigkeit hinzu:

    »Ich bin nicht nur Polizist, wissen Sie?« Er wurde mit einem Grinsen belohnt, doch bevor er es als Ermutigung auffassen konnte, schüttelte sie den Kopf.

    »Danke. Ich weiß es zu schätzen, was Sie und Markby für mich getan haben an jenem Abend, als Carla versucht hat, mich zu erledigen. Aber ich möchte Bamford und alles, was damit zu tun hat, einfach nur vergessen. Können Sie das verstehen?« Er verstand sie nur zu gut. Er konnte es ihr nicht verdenken, trotzdem senkte sich ein kalter Nebel aus Depression auf ihn herab.

    »Kann ich Sie dann vielleicht zum Bahnhof mitnehmen oder so?« Selbst das wurde ihm verweigert.

    »Nicht nötig«, hörte er sie sagen. Ihm kam ein Gedanke.

    »Hey, Sie haben doch wohl nicht vor, wieder per Anhalter zu fahren?« Sie brachte ihr blasses Gesicht ganz nah an das seine.

    »Hören Sie, das ist mein Leben! Ich habe fürs Erste genug von der Polizei! Ich möchte nicht unhöflich sein, aber was ich auch mache, es geht Sie überhaupt nichts an, haben Sie verstanden? Es ist noch gar nicht so lange her, da haben Sie alle geglaubt, ich hätte meinen Vater ermordet!«

    »Das habe ich nie!«, begehrte Prescott auf. Ihr Verhalten wurde sanfter.

    »Nun ja, dafür bin ich Ihnen auch dankbar.« Ohne Vorwarnung streckte sie die Hand aus und nahm seine.

    »Fahren Sie. Es war nett von Ihnen vorbeizukommen, aber es ist völlig sinnlos, begreifen Sie das?«

    »Ich weiß«, sagte Prescott.

    »Viel Glück. Passen Sie auf sich auf.« Er beugte sich vor und gab ihr einen Freundschaftskuss auf die Wange. Er wusste überhaupt nicht, was über ihn gekommen war, und die Verwegenheit seines Tuns überraschte ihn. Sie öffnete schweigend die Tür. Er brachte ein schwaches Lächeln zu Stande, dann ging er an ihr vorbei und nach draußen.
    Viel später an jenem Nachmittag, als das Licht bereits schwächer wurde und die Luft kühl, schwang Kate Drago ihren
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher