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Tote Kehren Nicht Zurück

Tote Kehren Nicht Zurück

Titel: Tote Kehren Nicht Zurück
Autoren: Granger Ann
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Missverständnis gegeben, und ein selbstständiger Fuhrunternehmer wie Eddie, eine Einmannband, die sich selbst beschäftigte, wie er es zu nennen pflegte, endete in so einem Fall in der Regel mit leeren Händen.

    Das Wetter war den ganzen Tag lang trüb gewesen, obwohl angeblich bereits Frühling herrschte. Dieses Jahr schien der Winter nur zögerlich zu weichen, um einer wärmeren Jahreszeit Platz zu machen. Die Sonne war hinter einem dichten Wolkenschleier verborgen, und die Temperaturen waren ungewöhnlich niedrig. Bäume und Hecken trieben nur langsam aus, und die Frühlingsblumen hatten ausnahmslos Verspätung.

    Die graue Stimmung hatte Eddie angesteckt. Beim Anblick von Wallys Imbisswagen, geschmückt mit den Verheißungen warmer und kalter Erfrischungen, war er auf den Parkplatz eingebogen – nicht so sehr, weil er eine Tasse alten Tees brauchte, um sich zu stärken, sondern weil er belebende Gesellschaft suchte, etwas für die Seele. Andere Fahrer, von denen er einige kannte, versammelten sich stets um diese Tageszeit bei Wallys Imbiss, kurz nach vier Uhr nachmittags. Eddie war nach einer Pause zumute und nach einem Schwätzchen mit ein paar Kollegen.

    Im Allgemeinen nahm Eddie keine Anhalter mit, weder weibliche noch männliche. Er kannte jemanden, der eine ganze Menge Scherereien bekommen hatte deswegen. Eddies Bekannter hatte ein Mädchen mitgenommen, das später am anderen Ende des Landes tot in einem Straßengraben gefunden worden war. Die Polizei hatte jeden aufgespürt, der die Kleine gesehen oder sie in seinem Wagen mitgenommen hatte, und es hatte einen Haufen Geld gekostet. Niemand führte Eddies Geschäft oder zahlte seine Hypotheken ab, wenn er zur Befragung festgehalten wurde und seine Termine über den Jordan marschierten. Und so ignorierte Eddie seither die Tramper, die einsam am Straßenrand standen und ihre Pappschilder mit den aufgekritzelten Namen ferner Städte in die Höhe hielten.

    Wallys Tee hatte das Gefühl von Depression nicht vertreiben können, das der stahlgraue Himmel und das entgangene Geschäft hervorgerufen hatten. Stattdessen war ein Widerwille hinzugekommen, die gesellige Menge vor dem Imbisswagen zu verlassen und weiterzufahren. Das menschliche Bedürfnis nach Gesellschaft führte letztendlich dazu, dass Eddie an diesem einen Tag eine Ausnahme von seiner ansonsten ehernen Regel machte.

    Ohne nachzudenken, hörte er sich sagen:

    »Ich kann Sie ein gutes Stück weit mitnehmen, Süße. Ich lass Sie an der Abzweigung nach Bamford raus. Von da aus müssen Sie sich eine neue Mitfahrgelegenheit suchen.«

    Gesichter, die zuvor die junge Frau angestarrt hatten, drehten sich zu ihm um und starrten nun stattdessen ihn an. Sie alle wussten, dass Eddie sich niemals erbarmte und einen Tramper mitnahm.

    Wallys Samowar mit dem heißen Tee darin brodelte und zischte in das verblüffte Schweigen hinein. Der Besitzer des Samowars zog schweigend und missbilligend den Kopf ein, nahm die Münzen, die als Bezahlung für die Kartoffelchips auf dem Tresen lagen, und legte sie in seine altmodische, mechanische Registrierkasse.

    Das Mädchen wartete. Niemand machte ein besseres Angebot. Niemand sagte ein Wort, doch die Gedanken aller hingen so schwer in der Luft wie der heiße Dampf aus dem Samowar.

    Die junge Frau blickte Eddie an.

    »Also schön, danke«, sagte sie. Sie nahm den alten khakifarbenen Proviantbeutel auf, der zu ihren Füßen gelegen hatte, und hängte ihn sich über die Schulter. Offensichtlich hatte sie nicht vor, länger zu warten. Ihr Verhalten war vielmehr das von jemandem, der ein Taxi herbeigerufen hatte – bestimmt jedenfalls nicht das einer Anhalterin, die sich eine kostenlose Mitfahrgelegenheit erbettelt hatte. Eddie, von ihrer Ungeduld angesteckt, warf seinen leeren Styroporbecher in den verbeulten Abfalleimer aus Drahtgeflecht. Hinter ihm erklang ein amüsiertes Gemurmel, als er die Gruppe zurückließ und zu seinem Sattelzug stapfte. Wally beschäftigte sich bereits wieder mit seinem spuckenden Samowar. Seine verbliebene Klientel äußerte die Ansicht, dass Eddie sich soeben in Schwierigkeiten gebracht hätte. Privat war Wally durchaus geneigt, sich dieser Meinung anzuschließen, doch er ließ sich niemals dazu hinreißen, in den vielfältigen Diskussionen, die vor seinem fahrbaren Imbissstand ausgetragen wurden, Partei für die eine oder andere Seite zu ergreifen. Dann fragte jemand:

    »Wer hat sie eigentlich hergebracht?« Schweigen, gefolgt von einem
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