Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tote Kehren Nicht Zurück

Tote Kehren Nicht Zurück

Titel: Tote Kehren Nicht Zurück
Autoren: Granger Ann
Vom Netzwerk:
Proviantbeutel über die Schulter und wandte sich von dem Lieferwagen ab, dessen Fahrer sie soeben – vergebens – um eine Mitfahrgelegenheit gebeten hatte. Es war eine weitere knappe, unfreundliche Absage gewesen, genau wie bei den anderen fünf Lastwagen, die auf dem Parkplatz standen.
    Es war nicht der gleiche Parkplatz wie der, auf dem sie Eddie Evans begegnet war, doch die Anlage war fast identisch, und es gab ebenfalls einen Imbisswagen, wo die gleiche Kundschaft fettige Würstchen und Hamburger und Tassen teerigen Tees kaufen konnte. Es hatte viel länger als erwartet gedauert, bis hierher zu kommen, und falls sie nicht bald eine Mitfahrgelegenheit über eine größere Strecke erhielt, würde sie nicht vor Einbruch der Nacht zu Hause sein.
    Sie wusste natürlich, woran es lag. Sie hätte es vorhersehen können. Sie hatte niemandem ihren Namen verraten, und niemand hatte ihr Foto, doch das war auch gar nicht nötig. Fernfahrer hatten ein effizientes Nachrichtensystem, und sie alle wussten, wer sie war. Sie war eine Unglücksbringerin, die das Stigma gewaltsamen Todes mit sich trug. Sie würde darauf warten müssen, dass ein privater Wagen sie mitnahm, und sie fuhr nur ungern in Personenwagen mit. Fernfahrer waren sicherer, ihrer Erfahrung nach. Natürlich bestand immer das Risiko, an den Falschen zu geraten, doch im Allgemeinen hatten Fernfahrer enge Zeitpläne und Familien zu Hause, Aufträge und Jobs, die gefährdet waren, und sie wollten keinen Ärger. Und weil sie keinen Ärger wollten, nahmen sie Kate diesmal nicht mit.
    Sie ging erhobenen Hauptes und stolz aufgerichtet davon. Je schwieriger die Dinge wurden, desto mehr musste man sich verhalten, als gehörte einem die ganze Welt und als gäbe man einen Dreck darauf, was andere taten oder dachten. Diese Erfahrung hatte sie schon vor langer Zeit gemacht. Wie ein kranker Wolf, der Schwäche zeigte. Das Rudel ringsum roch die Angst, und man war erledigt.
    Sie verließ den schützenden Parkplatz und wanderte am Straßenrand entlang. Es war eine grasbewachsene Bankette, nicht für Fußgänger gedacht. Ein Stück weit voraus verlor sich der Trampelpfad im hohen Gras, und sie musste auf dem Asphalt laufen. Es war selbst bei hellem Tageslicht nicht ungefährlich und in der Dämmerung oder gar bei Nacht Selbstmord. Vielleicht, wenn sie Glück hatte, kam sie an einer Bushaltestelle vorbei. Sie würde auf den planmäßigen Bus warten und einsteigen, ganz gleich, wohin er fuhr.

    »Ich kann hinfahren, wohin ich will!«, murmelte sie leise. Weil niemand sich scherte, wohin sie fuhr oder was sie machte oder was aus ihr wurde. Es war in gewisser Weise Freiheit, oder völlige Isolation, je nachdem, von welchem Standpunkt man es betrachtete. Ihr Plan, oder ihre Absicht besser gesagt, war London. Sie würde wieder zum College gehen und ihren Abschluss machen – vorausgesetzt, Freddie erstritt das notwendige Geld aus dem Penhallow’schen Erbe, um ihr den Besuch des Colleges zu ermöglichen.
    Ein Wagen nach dem anderen jagte vorbei, doch niemand hielt an. Sie streckte den Daumen nicht heraus. Zum ersten Mal seit dem Tod ihrer Mutter war sie den Tränen nahe.
    Endlich verlangsamte ein Wagen seine Fahrt und lenkte an den Straßenrand, ein kleines Stück vor ihr, wo er wartete. Sie näherte sich vorsichtig in einer Mischung aus Hoffnung und Groll und bückte sich zum Beifahrerfenster hinunter.
    Der Fahrer beugte sich zur Seite und kurbelte die Scheibe herab.

    »Mein Gott, Kate, ich dachte schon, ich finde dich nie mehr!«

    »Luke?« Sie war so verblüfft, dass sie ihn nur mit offenem
    Mund anstarren konnte.

    »Was machst du denn hier?«

    »Was zur Hölle glaubst du, was ich mache? Ich suche dich. Los, steig ein, verdammt nochmal!« Er stieß die Beifahrertür auf. Sie hatte kaum eine andere Wahl, als seiner Aufforderung zu folgen. Sie warf ihren Beutel auf den Rücksitz und glitt auf den Sitz neben ihrem Halbbruder. Er setzte den Blinker und fädelte sich in den Verkehr ein.

    »Irene hat gesagt, du wärst im Haus gewesen, hättest deine Sachen gepackt und wärst verschwunden«, berichtete Luke und blickte achtsam in den Rückspiegel, wo ein großer TIRLastzug ausgeschert war, um ihn zu überholen.

    »Warum ist dieses verdammte Ding nicht auf der Autobahn? Und warum hast du mir nicht gesagt, dass du vorhast zu verschwinden?« Der schwere Lastzug donnerte vorbei. Kate glaubte ihn wiederzuerkennen, es war einer der Züge, deren Fahrer sie abgewiesen hatten, hinten auf dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher