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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen
Autoren: B Akunin
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für wen. Die andere …« Der Terroristenführer stockte, dann fragte er: »Wozu, Julie? Sagen Sie mir, wozu? … Na gut. Behalten Sie es für sich. Aber auf die andere Frage müssen Sie antworten. Andernfalls werden Sie sterben. Und zwar auf der Stelle. Wenn Sie es sagen, verschone ich Sie. Dann soll das Parteigericht entscheiden.«
    Daß die Drohung ernstgemeint war, stand außer Frage. Fandorin hatte die Tür etwas weiter aufgeschoben und sah die junge Dame entsetzt auf den Dolch in der Faust des Terroristen starren.
    »Du meinst, du bringst es fertig, mich zu töten?« Die Stimme der Agentin zitterte kläglich. »Nach allem, was zwischen uns war? Hast du das schon vergessen?«
    Die Frau am Tisch, die die Bomben bastelte, verursachte ein klirrendes Geräusch. Fandorin wandte den Blick kurz zu ihr, sah sie blaß werden und sich auf die Unterlippe beißen.
    Grin wiederum wurde rot. Doch der metallische Klang seiner Stimme blieb unverändert.
    »Wer ist es?« wiederholte er seine Frage. »Ich will die Wahrheit wissen … Nicht? Dann eben nicht …«
    Mit der Linken packte er die schöne Frau grob am Hals, die Rechte mit der Waffe holte aus.
    »Posharski!« stieß die Frau hervor. »Posharski, Vizedirektor im Polizeidepartement, jetzt Polizeipräsident hier in Moskau. Du darfst mich nicht töten, Grin, hörst du. Du hast es versprochen!«
    Der grausame Mann schien erschüttert von dem Geständnis, doch den Dolch steckte er ein.
    »Wieso denn der?« fragte er. »Das verstehe ich nicht … Gut, gestern … Das könnte passen. Aber vorher?«
    »Das mußt du nicht mich fragen«, warf Julie hin und zuckte die Achseln. Nachdem die unmittelbare Todesgefahr vorüber schien, gewann die Frau verblüffend schnell die Fassung zurück, dachte schon wieder daran, ihre Frisur zu ordnen. »Was scheren mich eure Räuber- und Gendarmenspiele. Euch Jungs fällt doch nie etwas anderes ein, als euch gegenseitig zu jagen, piff-paff zu machen und Bomben zu schmeißen. Wir Frauen haben andere Sorgen.«
    »Ach so? Welche denn?« Grins Blick ruhte schwer auf ihr, er verstand immer noch nichts. »Worum dreht es sich bei euch?«
    Die Frau fiel aus allen Wolken.
    »Wie, worum? Um Liebe natürlich. Es gibt nichts Wichtigeres. Ihr Männer seid behindert, weil ihr das nicht begreift.«
    »Soll das heißen, du hast es aus Liebe getan?« fragte der Terrorist, der gefährlichste von ganz Rußland, die Worte bedächtig setzend. »Stieglitz, Jemelja, die anderen … Aus Liebe?«
    Julie zog das Näschen kraus.
    »Was denn sonst? Mein Gleb ist genauso ein Kretin wie du, nur daß er nicht Räuber spielt, sondern Gendarm. Was er wollte, hab ich für ihn getan. Wenn wir Frauen lieben, dann aus ganzem Herzen und ohne nach links und nach rechts zu sehen. Und wenn die ganze Welt dabei vor die Hunde geht.«
    »Das will ich sehen!« sagte Grin auf einmal und zog den Dolch wieder hervor.
    »Was hast du?« kreischte Julie auf, prallte zurück. »Ich hab doch alles zugegeben! Was willst du noch sehen?«
    »Wen Sie mehr lieben. Ihn oder sich selbst.«
    Der Terrorist tat einen Schritt auf sie zu. Sie wich zurück zur Wand, hielt die Hände ausgestreckt vor sich hin.
    »Sie werden jetzt Ihren Galan anrufen und herbestellen. Allein. Werden Sie das tun oder nicht?«
    »Nein!« rief Julie, seitlich die Wand entlangrutschend. »Niemals!«
    Nun klemmte sie in der Ecke. Schweigend näherte sich ihr Grin, hielt den Dolch gezückt.
    »Gut«, sagte sie mit schwacher Stimme. »Ist ja gut. Ich tue es … Nimm das Ding weg.«
    Grin wandte sich nach der Frau am Tisch um, die die ganze Zeit mit ruhigen Bewegungen ihrer gefährlichen Arbeit nachgegangen war. »Nadel, sieh nach, was das Polizeipräsidium für eine Nummer hat.«
    Die Angesprochene – jene Kontaktperson mit dem seltsamen Namen also, von der Rachmet alias Gwidon gesprochen hatte – setzte die halbfertige Bombe ab und erhob sich.
    Fandorin schöpfte neue Hoffnung. Wenn diese Nadel sich jetzt auf mehr als zehn Schritt von dem todbringenden Tisch entfernte, durfte er handeln. Tür aufstoßen; auf Grin zuspringen (in drei, nein, vier Sätzen); gezielter Tritt mit betäubender Wirkung in den Nacken oder, falls der Gegner es schaffte, sich umzudrehen, unters Kinn; dann der Nadel den Weg zum Tisch abschneiden. Nicht ganz einfach, aber machbar.
    »Vierundvierzig zweiundzwanzig«, gab Julie schluchzend kund. »Die Nummer ist leicht zu merken.«
    Pech gehabt. Nadel blieb bei ihren Bomben sitzen.
    Den Telefonapparat konnte
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