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Tote gehen nicht

Tote gehen nicht

Titel: Tote gehen nicht
Autoren: Carola Clasen
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umgebracht haben?«
    »Sie waren richtig zudringlich und ließen ihn nicht in Ruhe.«
    »Vor seinem Bruder, dem Sie   nur   eine Schrotladung verpasst haben?«, wollte der Staatsanwalt wissen.
    Rita lächelte. »Er sollte mein ... er sollte Edgar in Ruhe lassen, sonst nichts.«
    »Vor unserer besten Hauptkommissarin, die umzubringen Sie nicht gezögert hätten?«
    Von der Bank kam ein Hüsteln.
    Rita schwieg.
    »Sonst nichts?«, fragte Wesseling. »Was ist das schon! Und wann haben Sie das Schiff verlassen, um Edgar zu beschützen?«
    »In Malaga bin ich von Bord gegangen.«
    »Und ab da sind Sie Lutz’ Regie gefolgt?«
    »Es war nicht einfach.«
    In Edgars Kopf rotierten ihre Sätze. Auch wenn die Kommissare beim Verhör im Hotel Talblick schon Ähnliches angedeutet hatten, war es doch etwas anderes, aus Ritas Mund zu hören, warum Helena Finn und Anna Grund hatten sterben müssen. Er drehte den Kopf zur Seite. Rita spürte seinen Blick und lächelte ihn versonnen an. Er senkte die Augenlider.
    Der Staatsanwalt atmete tief durch und ging einen Schritt weiter, trat zu Lutz und sah auf ihn hinab: »Und nun zu Ihnen, Dr. Lutz Winkelmann?«
    »Und wer sind Sie?«
    »Oberstaatsanwalt Wesseling!« Jede Silbe schien eine Bedrohung zu sein, die Ankündigung des Jüngsten Gerichts.
    Im Vergleich zu Edgar sah Lutz frisch gewaschen und ausgeruht aus. Seine Frisur saß. An den Schuhsohlen klebte kein Dreck, an den Hosenbeinen hing kein Staub, seine Finger waren manikürt. Er trug Wanderkleidung, aber die war makellos gebügelt, als ob er nicht eben noch mitten in einem Kampf gesteckt hätte. Er sah aus, als wäre er das Model der Saison in elegantem Rostbraun, einem Katalog für Outdoor-Mode entsprungen. So zurechtgemacht, hatte Edgar ihn noch nie gesehen. Er versuchte sich einzureden, dass Lutz alles über Nacht in eine Reinigung gebracht haben könnte.
    »Haben Sie geahnt, was Sie damit anrichten, wenn Sie Rita Funke auf die Spur Ihres Freundes setzen?«
    »Auf keinen Fall. Wie auch?«
    »Sie wollen mir weismachen, dass Sie nicht wussten, dass sie eine Stalkerin ist?«
    »Nein, ich bitte Sie.«
    »Sie sind Edgars Freund«, erinnerte Wesseling ihn.
    »Freund!«, schnaubte Lutz verächtlich.
    »Sie haben das billigend in Kauf genommen!«
    »Nein! Hören Sie endlich auf damit!«
    »Alles nur wegen der Ehre?«
    »Ehre?«, fragte Lutz verwundert.
    »Ehre!«, krähte Sonja Senger von ihrer Bank aus. »Dass ich nicht lache. Es ging nicht um Ehre. Es ging um Macht und Geld. Es ging um den Posten des Chefarztes!«
    »Wie kommen Sie denn darauf?«, zischte Lutz.
    »Oh«, sagte Sonja. »Ich kann zwei und zwei zusammenzählen.«
    Edgars Versuch, sich zu beruhigen, misslang. Sein Blick zu Lutz verriet ihm, dass es ihm ähnlich erging.
    Nach einer bedrückenden Schweigeminute setzte Wesseling sein Verhör fort und rekapitulierte, als habe es Sonjas Einwurf nicht gegeben. »Sie sind den Eifelsteig nicht gegangen, sondern gefahren.«
    Lutz lächelte. »Das ist kein Verbrechen, so weit ich weiß«.
    »Nein, keines, das ich ahnden könnte«, sagte Wesseling. »Auch leider nicht die Tatsache, dass Sie Ihren Freund nach Strich und Faden hintergangen haben. Wenn ich mir vorstelle, dass ein Mann wie Sie in der   Klinik am Wald   Chefarzt wird, wünschte ich, ich könnte das verhindern.«
    Lutz lächelte. »Wie denn? Gewonnen ist gewonnen. Ich war zuerst hier, fragen Sie doch Edgar. Und wenn er meine Gehzeiten sieht, dann erst recht.«
    »Ich werde niemanden fragen, aber Ihrem Chef werde ich mal einen Tipp geben.«
    Lutz’ Mundwinkel fielen herab.
    »Schon geschehen, Herr Oberstaatsanwalt!«, krähte Sonja Senger. »Ich habe mit einem Dr. Hagen gesprochen, seines Zeichens Verwaltungschef in der   Klinik am Wald .«
    Pause. Lutz scharrte mit seinen gefesselten Füßen im Sand und kickte einen Kieselstein beiseite.
    »Und?«, drängelte Wesseling.
    »Ich habe ihn gestern gebeten, Winkelmanns Personalunterlagen doch einmal einer eingehenden Überprüfung zu unterziehen.«
    Pause. Lutz wippte leicht hin und her.
    »Und?«, drängelte Wesseling.
    »Heute Morgen hat er mich zurückgerufen.«
    Lutz versuchte aufzustehen, zerrte an den Kabelbindern, rollte zur Seite und stemmte sich gegen eine Baumwurzel.
    »Und?«, drängelte Wesseling.
    Der Oberstaatsanwalt und die Kommissarin schienen ein eingeschworenes Team zu sein, dachte Edgar. Das hier war wie ein kleines Theaterstück. Aber er kannte nicht den Plot.
    »Wollen Sie es uns nicht selbst sagen,
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