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Tote essen keinen Döner

Titel: Tote essen keinen Döner
Autoren: dtv
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ausführen zu dürfen.«
    »Das kann doch nicht wahr sein«, brüllt Nermin und fängt an zu heulen. »Seit Wochen plage ich mich damit ab, die verdammten Voraussetzungen zu erfüllen! Ich war beim Seminar, ich war beim Psychologen, ich hab mich gegen Staupe impfen lassen. Was muss ich denn noch machen?«
    »Ich vermute, so acht, neun Monate müssen Sie sich schon gedulden, mein Kind.«
    »Waaas? Acht, neun Monate? Sind Sie wahnsinnig geworden?«, platzt mein sonst sehr geduldiges Kind am Ende heraus und fängt an zu schnaufen.
    »Ich finde neun Monate Wartezeit nicht ganz so schlimm«, versuche ich die Wogen zu glätten. »Bis dahin macht deine Schwester Zeynep bestimmt ein süßes Bäby, mit dem darfst du dann spazieren gehen.« Mit diesen Worten zerre ich Nermin ganz schnell nach draußen, bevor sie die Frau noch beißt.
    »Papa, ich hatte mich so darauf gefreut, bei Zeyneps Verlobung mit einem süßen Hund zu erscheinen«, schluchzt Nermin.
    |214| »Ich weiß, mein Kind, die armen Hunde sind jetzt bestimmt genauso traurig wie du, dass sie diese hochinteressante italo-türkische Märchenverlobung verpassen«, tröste ich sie und gebe Gas, damit ich sie nicht selbst verpasse. Das würde mir meine Frau nie verzeihen.
    »Papa, kannst du bitte kurz rechts ranfahren und vor dem Gebäude dort anhalten?«, kreischt Nermin plötzlich und zeigt mit dem Finger auf ein Haus, vor dessen Tür zwei alte Damen mit ihren Dackeln spazieren gehen.
    »Nermin, bist du verrückt geworden? Du kannst doch nicht den armen Omis einfach ihre Hunde klauen. Du hast doch – zumindest von außen betrachtet – wenigstens eine einigermaßen intakte Familie, aber diese alten Damen haben außer ihren Kötern niemanden auf der Welt! Sie würden jämmerlich daran zugrunde gehen, wenn du ihre Hunde entführst!«
    »Papa, spinnst du, was denkst du denn über mich? Das hier ist ein Altersheim. Oma Weißbrot wohnt hier. Wenn ich schon keinen Hund ausleihen kann, dann will ich wenigstens eine Oma spazieren führen.«
    »Das geht nicht! Du hast doch gesehen, wie schwierig es ist, einen Hund auszuborgen. Wenn du dich aber um einen Menschen kümmern willst, musst du jahrelang studiert haben. Das werden sie dir nie erlauben. Dafür musst du schon warten, bis ich so alt bin.«
    Aber sie springt einfach raus und rennt los. Ich renne sofort hinterher. Ich muss das dumme Kind erreichen, bevor sie aus dem Altersheim hochkantig rausgeschmissen wird.
    Im Foyer sehe ich völlig überrascht Frau Weißbrot mit noch drei weiteren alten Damen zusammensitzen. Sie ist nicht weniger überrascht als ich:
    |215| »Herr Engin, das ist ja nett, dass Sie mich mal besuchen kommen«, freut sie sich wie ein kleines Kind.
    »Vielleicht will der ja auch hier einziehen«, freut sich die taktlose Dame neben ihr über mein Erscheinen! »Dann haben wir endlich mal wieder einen Mann hier.«
    »Er ist nicht so alt, wie er aussieht«, verteidigt mich Frau Weißbrot wie eine Löwin. Ich weiß nicht, ob ich mich über dieses Kompliment freuen soll?
    In dem Moment höre ich, wie die Leiterin des Altersheims ruft:
    »Da sitzen sie alle, suchen Sie sich eine aus, die Ihnen gefällt.«
    »Wie, kann ich mir sofort eine aussuchen? Muss ich denn nicht vorher irgendwelche Papiere unterschreiben? Eine Schulung machen oder Impfungen?«, stottert Nermin, über so viel Entgegenkommen und Vertrauen selber überrascht.
    »Was für Papiere? Warum denn? Nehmen Sie ruhig eine von unseren Damen gleich mit!«
    »Wollen Sie nicht mal meinen Ausweis sehen?«, fragt Nermin.
    »Wozu?«
    »Aber das geht doch nicht! Man kann doch nicht so respektlos mit den alten Damen umspringen«, greife ich ein, »wir müssen sie doch mal fragen, ob sie überhaupt einverstanden sind.«
    »Mein Gott, jetzt machen Sie doch keinen Staatsakt daraus. Nehmen Sie schon eine Oma mit, oder zwei.«
    »Frau Weißbrot, hätten Sie Lust, jetzt gleich mit zu der Verlobung meiner Schwester Zeynep zu kommen?«, fragt Nermin unsere ehemalige Nachbarin.
    |216| »Selbstverständlich komme ich mit. Wenn du wüsstest, wie langweilig es hier ist«, freut sie sich wie ein Bäby.
    »Wir kommen auch mit, wir kommen auch mit«, springen die drei anderen Damen ebenfalls freudestrahlend hoch.
    »Darf ich auch vier Omas mitnehmen?«, fragt Nermin die Heimleiterin etwas zaghaft.
    »Kein Problem, nehmen Sie so viele mit, wie Sie wollen«, ruft sie gönnerhaft.
    »Vielleicht dauert die Feier ja bis spät in die Nacht. Wie lange darf ich denn mit den Omas
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