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Tote essen keinen Döner

Titel: Tote essen keinen Döner
Autoren: dtv
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wegbleiben?«, fragt Nermin verunsichert.
    »Ist mir völlig egal! So lange, wie Sie wollen. Wenn Sie keine Lust mehr haben, dann stellen Sie sie einfach wieder bei uns vor der Tür ab.«

|217| Die Mörderparade
    Zeyneps Verlobungsparty ist eine Riesensause! Es lässt sich natürlich viel unbekümmerter feiern, wenn man im Keller keine Leiche mehr hat. Meine Tochter Zeynep ist auch überglücklich, weil sie denkt, ich sei deshalb so häppy, weil sie unsere Familie um einen echten Mafioso bereichert hat.
    Luigis kleine Pizzabude ist hoffnungslos überfüllt. Die Gäste sitzen zusammengepfercht wie die Hühner in einer Legebatterie. Aber was heißt hier »Gäste«? Auf türkischen Feiern besteht die Hälfte des Publikums aus Schnorrern, die kein Mensch eingeladen hat und die nur kommen, um sich umsonst den Bauch vollzuschlagen. Apropos Bauch. Es gibt hier nicht mal genügend Platz, um einen anständigen türkischen Bauchtanz zum Besten zu geben.
    Unser Nachbar Marcel hängt schon die ganze Zeit wie eine Klette an Luigi. Ich hatte Eminanim aber gewarnt. Jetzt bin ich natürlich umso mehr gespannt, mit wem Luigi die Verlobungsfeier später verlassen wird – mit Zeynep oder mit Marcel? Meine dankbare Tochter toleriert das Ganze zurzeit noch, weil Marcel aus diesem langweiligen Raum ein wahres Schmuckstück gemacht hat.
    Außer den Schnorrern sind auch noch alle unsere Bekannten und Nachbarn anwesend. Eminanim hat ganze Arbeit geleistet. Ich sehe, wie Abdullah-Ibrahim und Oma |218| Weißbrot sich lautstark miteinander unterhalten. Hans und Sükrü prosten sich mit Bier gut gelaunt zu. Hausmeister Warmbier ist sichtlich froh über den Platzmangel, er tanzt ganz eng umschlungen mit Natascha. Sogar Herr und Frau Nachtigall tun so, als wenn sie gute Laune hätten. Unsere ehemaligen Nachbarn vom Karnickelweg 7b, Oma Fischkopf und Opa Prizibilsky, haben unsere Einladung auch gerne angenommen und beobachten mit strahlenden Augen die jungen Leute, die wie verrückt rumhüpfen und sich gegenseitig auf die Füße treten. Alle Freundinnen und Freunde unserer Kinder sind offenbar bester Laune. Mein Sohn Mehmet hat sich zur Feier des Tages sogar seine Haare gekämmt. Hatice und ein Dutzend andere Dreikäsehochs toben schon seit Stunden durch den Laden. Und Igorr scheint auch bester Laune zu sein. Bei Allah! Was macht denn der Fascho hier? Wer hat den denn eingeladen?
    »Eminanim, Faschos stürmen unsere schöne Feier, ruf sofort die Polizei«, schreie ich aufgeregt.
    »Nicht nötig, die sind doch schon da«, meint meine Frau und deutet mit dem Kopf auf die Kommissare Knochenhauer und Beinbrecher, die sich durch die Menschenmenge zu mir durchwühlen.
    »Guten Abend«, ruft Igorr von Weiten.
    »Guten Abend, Igorr«, stottere ich.
    »Guten Abend, Frrau Engin, guten Abend, Herrr Engin«, sagt er, »oder soll ich lieberr Waldemarr sagen?«
    Jetzt bin ich geliefert! Der Mistkerl weiß, wer ich bin!
    »Vielen Dank für die Einladung, Herr Engin. Ach, übrigens, darf ich bekannt machen, das ist Igorr Popotschenkov«, stellt Kommissar Knochenhauer ihn vor.
    |219| »Ich kenne den Fascho   … ich meine, ich kenne den Igorr schon«, murmele ich völlig durcheinander.
    »Nein, Sie kennen diesen Fascho nicht richtig«, lacht Knochenhauer. »Sie wissen nicht, dass er genauso wie ich Polizist ist.«
    »Wie? Igorr ist auch noch Polizist?«
    »Ja, Polizist ist er schon. Aber kein Fascho. Er ist unser Anderkawa-Agent, den wir in die rechtsradikale Szene eingeschleust haben.«
    »Hurraaa, dann sind Sie es ja auch nicht?«, freue ich mich.
    »Was bin ich nicht?«
    »Ein Fascho!«
    »Ich? Ein Fascho? Wie kommen Sie denn darauf?«
    »Weil ich Sie beide zusammen mal zufällig gesehen habe. Sie können sich ja gar nicht vorstellen, wie erleichtert ich bin. Jetzt wird mir auch klar, warum Igorr mir nicht sofort an die Gurgel gegangen ist, als ich mal über die dummstolzen Nationalisten hergezogen bin.«
    Mir fallen riesengroße Steine vom Herzen. Größer noch als Luigis Pizza Margherita – nur nicht so fettig!
    »Sie warren auch sehrr gut, Herrr Engin. Sie warren besserre Nazi als Nazis selberrr!«
    »Osman, lass uns doch endlich mit der Verlobung weitermachen«, brüllt mir meine Frau wegen der grauenhaft lauten Musik ins Ohr. Gleichzeitig gibt sie der Kapelle ein Zeichen, woraufhin schlagartig der ganze Lärm aufhört. »Als Brautvater musst du dem jungen Paar die Verlobungsringe anstecken«, sagt sie weiter.
    Alle Leute klatschen erwartungsvoll Beifall
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