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Tortenschlacht

Tortenschlacht

Titel: Tortenschlacht
Autoren: Oliver G Wachlin
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Droyßig. Wie kann ich Sie telefonisch erreichen?«
    »Ich erreiche Sie«, erwiderte Monika und entschwand.
    Quastenkötter sah ihr verblüfft nach. Dann legte er die Diskette in seinen Computer ein und begann zu lesen.
    44    DAS AUGUSTE-VIKTORIA-KRANKENHAUS zu Berlin-Friedenau ist sozusagen die Hausklinik der Schöneberger, hier landen die Malaisen des Kiezes: die Versehrten, die körperlich Gebrechlichen, die Trinker und die Depressiven, Herzkranke und Hypertoniker, HIV - und sonst wie Infizierte, die Dementen, die Selbstmörder, die Verprügelten, die Unfallopfer und anderweitig Verletzte.
    Bei mir haben die Ärzte eine mittelschwere Gehirnerschütterung festgestellt. Sie empfehlen eine mehrtägige Bettruhe, am besten unter Aufsicht des Klinikpersonals, aber das mache ich nicht mit. In der Tat geht es mir schon viel besser, von etwas Schwindelgefühl, einem leichten Dröhnen im Kopf und dem zeitweiligen bunten Flackern vor meinen Augen einmal abgesehen, und daher habe ich keineswegs vor, mich stationär einliefern zu lassen. Nicht heute, am zweiten Oktober 1990.
    Das muss man sich mal vorstellen: Es ist nicht einmal ein Jahr her, da die Mauer fiel und der Kalte Krieg sein Ende fand. Heute nun um Mitternacht soll die deutsche Teilung auch offiziell beendet werden, Deutschland wird wieder ein Staat – und das ist ein wahrhaft historischer Moment, den ich nicht allein im Krankenhaus verbringen will.
    Zudem will ich diesen Heini Boelter ordentlich verhören, doch das bleibt mir versagt. Als Opfer desselben zeige ich Befangenheit, und daher wird die Vernehmung von Hünerbein durchgeführt. Ich darf lediglich durch die einseitig blickdichte Scheibe zuschauen.
    Immerhin macht Hünerbein seine Sache gut. Streng, aber einfühlsam befragt er den unschuldig dreinschauenden Taxifahrer, der so naiv von einer Misere in die andere geplumpst ist.
    Immer wieder spricht er vom Mossad, dem FBI oder irgendeiner anderen finsteren Organisation, in deren Fänge er geraten ist und die ihn durch einen unheimlichen Mann mit Borsalinohut und Pilotenbrille kontrollierte und bedrohte. Dabei hatte im Januar zunächst alles ganz harmlos angefangen. Ein seltsamer Fahrgast habe sich mit einem ungewöhnlichen Anliegen an Heini Boelter gewandt und dabei eine recht genaue Orts- und Sachkenntnis bewiesen. Er habe sowohl vom bevorstehenden Sturm der Bevölkerung auf die Stasizentrale in der Normannenstraße gewusst, als auch wo die Unterlagen zu finden waren, die er so dringend benötigte.
    Wenn man bedenkt, dass dieser so gut informierte Borsalinohut der Westberliner Politiker Werner von Lahn war, drängt sich der Verdacht auf, dass er doch mehr mit den Schlapphüten zu tun hatte, als seine Frau zugegeben hat. Inwieweit war er wirklich in den Verfassungsschutz involviert? Hatte er Zugang zu westlichen Spitzeln oder östlichen Überläufern, die genau um die Örtlichkeiten im Aktenkeller des Ministeriums wussten? Oder war da noch mehr?
    Wie so vieles in der Welt der Geheimdienste werden diese Fragen ungeklärt bleiben. Das berührt die staatliche Sicherheit, wie es immer heißt, kleine Kripobeamte wie wir werden aus dieser undurchsichtigen Sphäre unmissverständlich herausgehalten. Ohnehin ist vieles in den Wirren der Wendezeit rätselhaft geblieben, und noch heute berichten die Zeitungen von Gerüchten, dass die Erstürmung der Stasizentrale von KGB und CIA initiiert worden sei, oder von der Stasi selbst. Man wollte Chaos schaffen, um in Ruhe wichtige Akten und Dokumente verschwinden zu lassen.
    Und vielleicht hatte Werner von Lahn irgendwie davon Wind bekommen und sich das Wissen zunutze gemacht. Aber warum hat er dafür ausgerechnet auf einen Ostberliner Taxifahrer zurückgegriffen? Warum hat er keinen Profi engagiert? Um unerkannt zu bleiben?
    Tatsache ist: Was kann unauffälliger sein als ein Taxifahrer? Und daran musste Werner von Lahn als Erstes interessiert sein: dass sein Vorhaben absolut im Verborgenen erledigt wird. Von Leuten, die ahnungslos sind, die die größeren Zusammenhänge nicht kennen. Und damit war Boelter im Spiel.
    Von Lahn hatte seine kompromittierenden Akten bekommen und war zufrieden gewesen. Er konnte nicht ahnen, dass sich wer Kopien davon gemacht hatte. Bis er mit ebendiesen Kopien erpresst wurde. Erinnerst du dich an Rosemarie? Da mussten bei Werner von Lahn sämtliche roten Lampen geleuchtet haben. Er schnappte sich Heini Boelter erneut und setzte ihn massiv unter Druck. Der bekam es mit der Angst zu tun.
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