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Torte mit Staebchen

Torte mit Staebchen

Titel: Torte mit Staebchen
Autoren: Susanne Hornfeck
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Wohnverhältnisse und die nach Müll stinkende Lane mit den vielen neugierigenNachbarn würde sie kaum vermissen, wohl aber die Sommernächte auf der Dachterrasse, die vielen kleinen Geschäfte und Lokale von Little Vienna, besonders Opa Hong, den Meister des Bambustelegrafen, selbst die ungezogenen Nachbarskinder waren ihr ans Herz gewachsen.
     
    Als Max einen Tag vor der Abreise der Eltern ihre handlich verschnürte Habe in den Jeep lud, den er am Eingang der Gasse geparkt hatte, wollten ihr die Wang-Kinder nicht von der Seite weichen.
    »Ying’ge,
bú yào zǒu, bú yào zǒu
!«, bettelten sie.
    »Aber ich geh doch gar nicht weg«, tröstete Inge die Kleinen, die den Tränen nahe waren. »Ich kann euch doch jederzeit besuchen kommen.« Das konnte sie schon deshalb versprechen, weil sie bestimmt hin und wieder zum »Fegen« zu den Nonnen kommen würde.
    Als Inge mit Max bei den Fiedlers vorfuhr, war nur Sanmao zu Hause.
    »Da seid ihr ja«, murmelte er unverbindlich mit einem Seitenblick auf Inges Begleiter.
    »Sanmao, das ist Max, ich glaube, ihr kennt euch noch nicht. Das ist Simon, genannt Sanmao. Und bitte haltet euch nicht beim Sie auf«, stellte Inge die beiden vor.
    »Inges Freunde sind auch meine Freunde.« Weltmännisch streckte Max die Hand aus.
    »Freut mich«, erwiderte dieser. Ob es ihn wirklich freute, war nicht auszumachen, jedenfalls schlug er ein. Max holte den großen, verschnürten Karton aus dem Kofferraum   – die Koffer würden die Eltern brauchen.Inge und Sanmao brachten noch ein paar Kleinigkeiten, das war’s auch schon. Dann begab sich die Prozession in das kleine Zimmer im Haupthaus, wo Inge künftig wohnen würde.
    »Net schlecht«, bemerkte Max kennerhaft und trat ans Fenster. »Das ›Uptown‹ nebenan und ein Café im Untergeschoss. Bestlage. Kein Vergleich mit Hongkou. Unsere Inge hat schon immer Wert auf erstklassige Unterkunft gelegt. So habe ich sie kennengelernt«, schwadronierte Max, um die Verlegenheit zu überspielen.
    Inge knuffte ihn in die Seite. »Dämlack.«
    »Kommst du mit zurück?«
    »Ich schlaf heute noch mal bei den Eltern, aber, danke, Max, ich fahr später mit der Straßenbahn.«
    »Na, dann sehen wir uns morgen. Ich werd mir unten noch ein paar süße Teilchen mitnehmen, die sahen so lecker aus.«
    Sanmao, der den Dialog verfolgt hatte wie ein Ping-Pong-Match, erwachte wie aufs Stichwort zum Leben.
    »Such dir am Buffet was aus. Ich komm mit runter, das geht aufs Haus.«
    Er kann’s einfach nicht lassen, dieser Schnorrer, dachte Inge, als die beiden aus der Tür waren. Dann atmete sie erst einmal tief durch und setzte sich auf ihren Karton.
    ***
    Am nächsten Morgen stand der Jeep pünktlich am Eingang der Lane. Auf Max war Verlass. Diesmal gestaltete sich das Verladen des Gepäcks schwieriger,zumal außer dem Fahrer auch noch drei Personen befördert werden mussten. Max schob den größten Koffer kurzerhand auf den Beifahrersitz, Problem gelöst. Inge fragte sich, wie es ihm gelang, Fahrzeuge des amerikanischen Militärs immer wieder für private Zwecke zu nutzen, aber Max hatte da seine Methoden.
    Eingezwängt zwischen ihren Eltern saß sie auf der Rückbank und spürte deren Nähe plötzlich als etwas Kostbaren, etwas, das sie bald sehr vermissen würde. Während der letzten Nacht im Erker hatte sie kaum ein Auge zugetan und nahm nun alles mit der dünnhäutigen Überdeutlichkeit der Schlaflosen wahr. Sie fuhren denselben Weg, den sie damals auf der Ladefläche eines Lastwagens zurückgelegt hatten, nur in entgegengesetzter Richtung. Unzählige Male war Inge über die Garden Bridge in die Innenstadt gefahren, und jedes Mal gab es diesen einen, atemberaubenden Augenblick, wenn plötzlich über die Flussbiegung hinweg der Bund in seiner ganzen Pracht sichtbar wurde.
    Der Februarmorgen war klar und blau, vor der imposanten steinernen Kulisse kreuzten die dunklen Segel der Dschunken und Sampans. Diesmal war es kein weißes Märchenschiff, das am Kai wartete. Die Überfahrt würde kein Ferienspaß werden. Einen Seelenverkäufer nannte ihr Vater das Schiff, das für so lange Reisen eigentlich nicht ausgelegt war und bereits viel zu viele Dienstjahre hinter sich hatte. In seinem behäbigen Bauch gab es nach Geschlechtern getrennte Schlafsäle mit Stockbetten. Kein Paolo würdeihnen Erfrischungen reichen oder den Wäschesack abholen.
    Als sie am Kai vorfuhren, stand Sanmao schon da, ein hochgewachsener junger Mann, der sich suchend in der Menge umsah. Inges
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