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Torte mit Staebchen

Torte mit Staebchen

Titel: Torte mit Staebchen
Autoren: Susanne Hornfeck
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zurückwies, sondern die Absage höflich verpackte. Doch ihr Gegenüber hatte bereits verstanden.
    »
Wir wollten nur sichergehen, dass dir dieser Weg offensteht
«, erwiderte die Nonne freundlich. In ihrem Gesicht war keine Reaktion zu lesen. »
Und natürlich freuen wir uns immer über deinen Besuch. Ich wünsche dir Glück für deine weitere Zukunft, Ying’ge. Amitoufo.
«
    Mit diesem buddhistischen Segenswunsch war Inges Audienz beendet. Als sich das Tempeltor hinter ihr schloss, fühlte sie sich seltsam getröstet. Immer taten sich neue Möglichkeiten auf im Leben, und manchmal kamen sie aus einer Richtung, aus der man sie nicht erwartet hätte. Auch hatte die Bestimmtheit, mit der sie der Nonne ihre Zukunftspläne auseinandersetzte,Inges eigenes Vertrauen in deren Realisierbarkeit gestärkt. Den Eltern erzählte sie nichts von ihrem Erlebnis im Tempel unter dem Meer.
     
    Auch zu Hause gab es Neuigkeiten. Ihr Vater hatte Interviews bei verschiedenen Konsulaten gehabt, und wie vorauszusehen, wollte nur Australien die Finkelsteins haben. Dort wurden Fachkräfte in Handwerksberufen dringend gesucht. Sie würden ohne Bürgschaft durch Verwandte aufgenommen, denn sie könnten sich ihr Brot selbst verdienen.
    »Das kannst du dir im Notfall sogar selber backen«, kommentierte Inge trocken, nachdem ihr Vater mit seinem Bericht zu Ende war.
    Herr Finkelstein sah seine Tochter prüfend an. Warum eine Diskussion vom Zaun brechen, solange nichts entschieden war? Das Problem mit Australien waren nämlich nicht die Visa, sondern die Schiffspassagen. Da das Land im Pazifischen Krieg zahlreiche Schiffe verloren hatte und sich noch viele Soldaten an den Kriegsschauplätzen befanden, hatte deren Repatriierung Vorrang vor der Einreise staatenloser Flüchtlinge. Die Finkelsteins mussten also weiter warten.
    Inge hatte inzwischen Fakten geschaffen. Sie war an der Language School der St. John’s University eingeschrieben, und man würde ihr aufgrund ihrer guten Noten sogar die Studiengebühren erlassen, was einem Stipendium gleichkam. Gleich nach den Neujahrsferien sollte es losgehen. So viel zu »Geld und akademischen Angelegenheiten«; Inge fand, dass sie bereits vor Beginn des Schweinejahrs »Schwein gehabt« hatte.
    Und Sanmao hatte mit seinen Eltern gesprochen. Als Inge das nächste Mal bei den Fiedlers vorbeischaute, nahm Frühlingserwachen sie unter dem Vorwand, sie solle in der Küche helfen, beiseite.
    »Ying’ge, Sanmao sagt, du willst bleiben in Schanghai und Ausbildung machen. Hier wohnen kein Problem. Du bist doch meine
gān nǚ’ér

    »Was ist denn das   – eine Trockentochter?«, fragte Inge erstaunt, dieser Ausdruck war ihr noch nicht untergekommen.
    »Du bist wie eine Tochter von mir, aber ich habe dich nicht   – wie sagt man   – gesaugt, keine Milch gegeben, ich meine. Deshalb du bist trockene Tochter.«
    »Ah, wie eine Patentante.«
    »Genau, Patenttante, die ist immer sehr patent, sehr praktisch.«
    Lachend fiel ihr Inge um den Hals. »Nicht Patenttante, Xiaochun
āyí
, sondern Paten-tante. Aber du hast völlig recht, so eine Tante ist was sehr Praktisches. Genau so eine brauche ich.«
    »Und weißt du, Ying’ge. Jede Mutter macht große Sorge um Kind, auch wenn Kind schon groß ist. Bald ist Neujahr, da einladen wir deine Eltern und besprechen alles. Dann sie sind beruhigt.«
    »Oh, das wäre wunderbar. Du hast uns doch schon mal eingeladen, ganz am Anfang, als wir gerade angekommen waren. Da gab es so viele gute Sachen zu essen. Diesmal kommen meine Eltern bestimmt. Kann ich dir vielleicht bei den Vorbereitungen in der Küche helfen? Oder sollen wir was mitbringen?«
    »Nicht mitbringen, aber du kannst an Tag zuvorkommen. In chinesische Küche muss immer viel schneiden, alles ganz klein und ordentlich. Ich zeige dir, dann du kannst lernen.«
     
    Diesmal konnten die Eltern Finkelstein nicht kneifen, und das wollten sie auch gar nicht. Das Wohlergehen ihrer Tochter lag ihnen viel zu sehr am Herzen. Die Hoffnung, dass Inge einlenken und einen Rückzieher machen würde, hatten sie spätestens mit Inges Immatrikulation aufgeben.
    Vor allem Frau Finkelstein hatte erleichtert auf die Zusage der Fiedlers reagiert. Nachdem Inge von ihrer Idee offenbar nicht mehr abzubringen war, erschien ihr diese Lösung noch die sicherste. Keinesfalls aber sollte Inge den Fiedlers auf der Tasche liegen.
    »Du musst unbedingt für Kost und Logis aufkommen«, insistierte sie, als die Familie über die bevorstehende
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