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Torso

Torso

Titel: Torso
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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Leichenteile zu bedeuten hatten. Am nächsten Tag ging ich in die Bibliothek. Ich lieh mir zwei Kunstbände über das Lorenzetti-Gemälde aus und fand meine Ahnung bestätigt. Die Parallelen waren überdeutlich. Aber was sollte ich tun? Dass Georg inzwischen sogar so weit gegangen war, Zietens Tochter zu entführen, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht.«
    »Und wenn Sie es gewusst hätten?« unterbrach Elin. »Was hätten Sie getan?«
    Zollanger zuckte ratlos mit den Schultern. »Ich hätte sofort den Staatsanwalt informiert. Dass Georg eine Frau ermordet hatte, um einen Körper zu haben, schien mir undenkbar. Die Leichenteile, die wir bisher gefunden hatten, stammten mit Sicherheit von einer Leiche, die er sich irgendwo besorgt hatte. Aber nach dieser Entführung hätte ich annehmen müssen, dass Georg wirklich durchgedreht war. Und er tat ja auch alles, um die Bedrohung echt aussehen zu lassen. Seltsamerweise wurde die Entführung nirgendwo gemeldet.«
    Zollanger trank einen Schluck Wasser, musterte kurz sein Glas wie einen verdächtigen Gegenstand und stellte es wieder hin. »Das muss man sich einmal vorstellen!«, rief er erregt. »Zieten wusste seit Montagnachmittag, dass seine Tochter vermutlich entführt worden war. Aber er zögerte. Die Angst vor der Enthüllung seiner Machenschaften war offenbar größer als die Sorge um seine Tochter. Oder sagte ihm sein sechster Sinn, dass diese Drohung nur inszeniert war, dass man ihn unter Druck setzen wollte, aber nicht Ernst machen würde? Wie dem auch sei. Georg hatte Zietens Tochter in Sippenhaft genommen. Und ich frage mich, was ich erstaunlicher finden soll: Zietens Kaltblütigkeit oder seine Intelligenz. Denn das wirklich Bemerkenswerte war, dass er binnen weniger Stunden herausfand, dass nach allen Indizien, die Georg vorsätzlich gelegt hatte, niemand anderes als ich für die Torsi und die Entführung verantwortlich sein konnte.«
    »Aber … wie kann er das entdeckt haben?«, fragte Elin verwundert. »Sie waren doch selbst gerade erst auf diesen Zusammenhang gestoßen.«
    »Georg hat Zieten Drohbotschaften geschickt«, erklärte Zollanger. »Sie waren ebenso kryptisch wie die Torsi, Embleme mit lateinischen Inschriften. Er hatte ein gutes Dutzend davon vorbereitet. Ich habe noch einige, die er nicht verwendet hat, bei seinen Sachen gefunden.«
    »Und wozu das alles?«
    Zollanger setzte eine ratlose Miene auf. »Ich kann Ihnen Georgs Verhalten auch nicht ganz erklären. Er wollte Zieten reizen, ihm Angst machen. Und er tat dies natürlich aus seiner Vorstellungswelt heraus. Er wollte mit Zieten nicht verhandeln. Daher diese absolute Sprache. Kein Wenn und Aber. Keine Relativierung. Du sollst nicht töten. Du sollst nicht stehlen. Punkt. Als wir die Ermittlungen aufnahmen, wussten wir nichts von diesen Botschaften und hatten daher keinerlei Hinweis darauf, was für eine Symbolsprache den Leichenteilen zugrunde liegen könnte. Ja, wir wussten noch nicht einmal, ob es überhaupt eine gab. Und als ich zu ahnen begann, dass Georg hinter den Vorfällen steckte, behielt ich es für mich. Zieten muss über Frieser umfassenden Zugriff auf unsere Ermittlungen gehabt haben. Daher konnte er die Zeichen schneller lesen als meine Leute. Am Dienstag, wie Sie ja wissen, stand plötzlich dieser Killer in meiner Wohnung. Geschickt von Zieten, der ja schon auf dem Weg war. Ich wusste inzwischen, dass an dem ganzen Torso-Fall etwas oberfaul war und dass die Staatsanwaltschaft mit verdeckten Karten spielte. Aber dass Zieten so schnell …«
    Elin schüttelte verständnislos den Kopf. »Die Staatsanwaltschaft? Das verstehe ich nicht.«
    Zollanger hob entschuldigend die Hände.
    »Verzeihen Sie«, sagte er und erklärte dann: »Als Sie mich an diesem Sonntag im Dezember abgepasst haben, hatten wir zwei der Torsi gefunden. Am darauffolgenden Dienstag früh gegen zwei Uhr wurde der dritte Fund gemeldet. In den Geschäftsräumen von einer von Zietens Firmen. Diesmal hatte mein Bruder sehr deutliche Spuren hinterlassen. Eine Videokamera in der Tiefgarage des Gebäudes hatte sowohl seinen Wagen als auch ihn selbst gefilmt. Jetzt sah ich, warum er meinen Führerschein gebraucht hatte. Er hatte den Wagen mit Sicherheit unter meinem Namen gemietet. Georg schaute sogar kurz in die Überwachungskamera. Nach der Auswertung des Videobandes wäre ich sofort als Hauptverdächtiger festgenommen worden. Jetzt hatte ich wirklich keine Wahl mehr. Ich musste Staatsanwalt Frieser alles
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