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Tor der Daemmerung

Tor der Daemmerung

Titel: Tor der Daemmerung
Autoren: Julie Kagawa
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Ihrer Kleidung so ansehe, bin ich überrascht, dass es Ihnen noch so gut geht. Wurden Sie bereits untersucht? Halten Sie kurz still.« Er griff nach einem seltsamen Ding, das um seinen Hals hing, und schob sich zwei lose Enden davon in die Ohren. »Es wird nicht wehtun«, versprach er mir und nahm das glänzende, runde Metallstück in die Hand, das an dem freien Ende baumelte. »Ich will nur Ihr Herz abhören und Ihre Atmung kontrollieren …«
    Vorsichtig näherte er sich mit dem Metallstück meiner Brust … und bevor einer von uns wusste, wie ihm geschah, schoss meine Hand vor und umklammerte seinen Arm.
    Er zuckte heftig zusammen, offenbar erstaunt darüber, wie schnell ich mich bewegen konnte. Langsam weiteten sich die Augen hinter den dicken Brillengläsern. Traurig erwiderte ich seinen Blick.
    »Sie werden da nichts finden«, sagte ich leise, woraufhin er verwirrt die Stirn runzelte. Dann wich jede Farbe aus seinem Gesicht und er starrte mich reglos an. Ich hörte, wie sein Herz anfing zu rasen, auf seiner Stirn bildeten sich feine Schweißtröpfchen.
    »Oh«, flüsterte er mit tonloser Stimme. »Sie sind ein … bitte töten Sie mich nicht.«
    Ich gab sein Handgelenk frei und ließ den Arm sinken. »Gehen Sie«, murmelte ich und wandte mich ab. »Tun Sie, was getan werden muss.« Er zögerte kurz, vielleicht hielt er es ja für eine Falle – als könnte ich herumwirbeln und mich auf ihn stürzen, sobald er mir den Rücken zuwandte. Dann hörte ich seine hektischen Schritte, die immer leiser wurden. Er rannte los, um allen zu erzählen, dass sich in ihren Fluren ein Vampir herumtrieb. Mir blieb nicht viel Zeit. Hastig ging ich zur Tür der Chirurgie und schob mich hindurch.
    Drinnen war es dunkel, nur in der Mitte des Raums brannte eine Lampe über einem Bett, das von piepsenden Maschinen und Tischen voller metallischer Instrumente umgeben war. Zeke lag auf dem Rücken, seine Brust war mit sauberen Verbänden umwickelt und ein Arm hing in einer Schlinge. Er atmete tief und gleichmäßig. Im Licht der Lampe schimmerten seine blonden Haare.
    Ich trat an das Bett heran, beugte mich über ihn und strich ihm eine Strähne aus der Stirn. Aufmerksam lauschte ich dem Rhythmus seines Herzschlags. »Hey«, flüsterte ich, obwohl ich wusste, dass er mich wahrscheinlich nicht hören konnte. »Hör mal, Zeke, ich muss jetzt gehen. Ich muss noch etwas erledigen, jemanden suchen. Er hat eine Menge für mich getan, und nun steckt er in Schwierigkeiten. Ich wollte mich nur kurz verabschieden.«
    Zeke schlief weiter. Ich legte die Hand auf seinen gesunden Arm und drückte ihn leicht. Meine Augen brannten, aber ich achtete nicht weiter darauf. »Wir werden uns wahrscheinlich nicht wiedersehen«, murmelte ich und spürte, wie etwas Heißes über meine Wange glitt. »Ich habe euch hergebracht, wie versprochen. Ich wünschte … ich wünschte nur, ich hätte euer Eden sehen können, aber dieser Ort ist nicht für mich bestimmt. War er nie. Ich muss meinen eigenen Platz in dieser Welt finden.«
    Vorsichtig drückte ich meine Lippen auf seine. »Leb wohl, Ezekiel«, flüsterte ich. »Pass gut auf die anderen auf. Sie werden dich jetzt brauchen.«
    Er regte sich im Schlaf, wachte aber nicht auf. Ich ließ ihn los, wandte mich ab und ging. Kurz bevor die Metalltür hinter mir zufiel, glaubte ich zu hören, wie er meinen Namen murmelte, aber ich blickte nicht zurück.
    Der Rückweg durch die Haupthalle war eine wesentlich angespanntere Angelegenheit als bei unserer Ankunft. Die Menschen in den weißen Kitteln bedachten mich entweder mit feindseligen Blicken oder sie scheuten vor mir zurück, drückten sich ängstlich an die Wände und verfolgten argwöhnisch meinen Weg nach draußen. Keiner aus unserer Gruppe war da, um sich von mir zu verabschieden. Wahrscheinlich war das auch besser so. Caleb würde bestimmt Theater machen, und die anderen würden vielleicht fragen, wohin ich ging. Dabei wusste ich das selbst nicht. Ich wusste nur, dass irgendwo dort draußen Kanin auf mich wartete, und offenbar auch Jackal. Zuerst musste ich meinen Schöpfer finden und sehen, ob ich ihm noch helfen konnte. Das war ich ihm schuldig. Und was meinen »Blutsbruder« anging … irgendwann würde er mich mit Sicherheit aufspüren. Und dann sollte besser niemand in der Nähe sein, an dem mir etwas lag.
    Der Sturm war weitergezogen und draußen blitzten die ersten Sterne zwischen den Wolken hindurch. Der kühle Wind roch nach Sand, Fisch und Seewasser, er
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