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Tokyo Love

Tokyo Love

Titel: Tokyo Love
Autoren: Hitomi Kanehara
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Süße, ist das etwa dein Macker?«
    Der eine Typ, von Kopf bis Fuß in Versace gewandet, machte sich an mich ran. Weder Maki, die sich hinter uns versteckte und jeglichen Blickkontakt zu vermeiden suchte, noch Ama, der die beiden bloß blöd anglotzte, erwiesen sich als sonderlich hilfreich. Als ich an dem Kerl vorbeiwollte, versperrte er mir den Weg.
    »Das ist ja wohl ‘n Witz!«
    »Deine Phantasie reicht anscheinend nicht aus, dir vorzustellen, daß wir miteinander vögeln«, erwiderte ich schulterzuckend, ohne die Miene zu verziehen.
    »Genau«, sagte er. Dabei legte er einen Arm um meine Schulter und langte in den Ausschnitt meines Kleides. Gerade versuchte ich mich zu entsinnen, welchen BH ich heute trug, als es rumste, und der Typ, der mir soeben ins Dekolleté stieren wollte, war plötzlich aus meinem Sichtfeld verschwunden. Irritiert schaute ich mich um. Da lag er, ausgestreckt am Boden, und neben ihm stand Ama mit vor Wut brennenden Augen. Er hatte ihn umgenietet.
    »He, Freundchen, was fällt dir ein«, baute sich nun sein Begleiter drohend vor Ama auf. Ama schlug ihn ebenfalls nieder und kniete sich dann rittlings über den immer noch am Boden liegenden Versace. Er drosch auf seine Schläfe ein, immer und immer wieder. Auch als dem anderen das Blut übers Gesicht lief, hörte Ama nicht auf. Bewußtlos und blutbesudelt lag Versace vor ihm.
    Maki schrie hysterisch, als sie die Blutlache sah.
    Mir fiel ein, daß Ama am rechten Zeige- und Mittelfinger seine heißgeliebten Silberklopper trug. Metall hämmerte auf Knochen. Bei dem brutalen Geräusch brach mir kalter Schweiß aus den Poren.
    »Ama, hör auf!«
    Doch Ama reagierte nicht, er schien mich überhaupt nicht zu hören, sondern schlug weiterhin auf die Schläfe ein. Der andere Typ rappelte sich indessen vom Boden auf und rannte, nachdem er wieder zu sich gekommen war, sofort weg. Mist, der würde garantiert die Bullen rufen!
    »Das reicht jetzt!« schrie ich wütend und packte Amas rechten Arm, dessen Faust gerade zu einem neuen Schlag mitten ins Gesicht ausholte. Ich konnte das nicht mit ansehen. Maki schluchzte laut.
    »Ama!« schrie ich erneut, worauf seine gespannten Muskeln endlich erschlafften. Ich wollte schon erleichtert aufatmen, weil endlich alles vorüber war, doch dann sah ich, wie Ama in der Mundhöhle des Typen herumwühlte.
    »Verdammt, was machst du da? Du hast sie doch nicht mehr alle!«
    Ich schlug ihn auf den Kopf und zerrte wie verrückt an seinem Unterhemd. Aus der Ferne hörte man schon Sirenen.
    »Maki, lauf weg! Schnell!«
    Maki, leichenblaß, nickte und winkte uns noch zum Abschied: »Demnächst können wir ja mal wieder zu dritt ausgehen, ja?«
    Anders als sonst wirkte sie in dem Moment ausgesprochen beherrscht. Und dafür, daß sie besoffen war, rannte sie ziemlich schnell. Ich schaute zu Ama. Er stand wankend da und stierte mich mit leerem Blick an.
    »He, kapierst du nicht? Die Bullen sind im Anmarsch. Wir müssen sofort abhauen!«
    Als ich ihn an den Schultern rüttelte, gab er noch seine typische Lache von sich, bevor wir endlich losrannten. Ama, der mich mit sich riß, hatte ein Affentempo drauf. Ich lief keuchend neben ihm her. Schließlich stoppten wir in einer unscheinbaren Gasse, wo ich mich hinter Amas Rücken zu Boden sinken ließ.
    »Scheiße, was hast du getan?«
    Ich war selbst erstaunt, wie verzweifelt meine wimmernde Stimme klang. Ama kauerte sich neben mich, streckte mir seine Hand entgegen und öffnete die Faust. Ich erblickte zwei rote, etwa einen Zentimeter lange Objekte. Mir war sofort klar, worum es sich handelte: Es waren zwei Zähne von dem Typen. Bei dem Anblick lief es mir eiskalt den Rücken runter.
    »Die sind für dich. Als Zeichen meiner Rache.« Ein triumphierendes Lächeln erschien auf Amas Gesicht. Noch erschreckender war jedoch, daß dieses Lächeln unschuldig wie bei einem kleinen Jungen wirkte. Und wieso sprach er von Rache, ich war doch noch am Leben.
    »Mann, was soll ich damit?« schrie ich ihn an, worauf er meinen Arm packte und die Dinger in meine Hand kullern ließ.
    »Nimm sie als Beweis meiner Liebe.«
    Es war zum Verzweifeln. Mit einem hilflosen Schulterzucken erklärte ich ihm: »In Japan sind solche Art Liebesweise aber nicht üblich.«
    Ama schmiegte sich an mich, und ich streichelte ihm durchs Haar.
    Erschöpft trotteten wir Richtung Park, wo Ama sich an einem Wasserhahn die Hände und das Hemd wusch. Danach fuhren wir, so als wäre nichts geschehen, mit der letzten Bahn zu
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