Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tokyo Love

Tokyo Love

Titel: Tokyo Love
Autoren: Hitomi Kanehara
Vom Netzwerk:
Shiba-san.
    »Ich würde gar nichts verändern. Bloß dumm müßten sie sein, strohdumm wie die Hühner. Damit sie erst gar nicht darüber nachzudenken anfangen, ob es einen Gott gibt.«
    Zaghaft blickte ich zu ihm auf. Sein Tonfall war lässig, aber ich sah ein freches Blitzen in seinen Augen. Irgendwie bizarr, der Typ, dachte ich.
    »Kannst du mir das nächste Mal Tattoo-Vorlagen zeigen?«
    »Klar doch«, erwiderte er lächelnd und blickte mich sanftmütig an. Seine Augen waren fast unnatürlich braun und seine Haut blaß, regelrecht weiß, wie bei einem Europäer.
    »Ruf mich an, wenn du willst. Auch falls du noch Fragen zu deinem Zungenpiercing hast.«
    Shiba-san notierte seine Handynummer auf die Rückseite der Visitenkarte vom Shop und überreichte sie mir. Ich nahm sie dankend mit einem Lächeln entgegen und schaute mich flüchtig nach Ama um, der immer noch mit Peitschen herumhantierte. In meiner Tasche berührte ich das Portemonnaie. Ach ja, bezahlen, besann ich mich und fragte: »Wieviel kriegst du dafür?«
    Shiba-san winkte ab: »Schon gut.«
    Ich stützte mich mit den Ellbogen auf die Theke und legte mein Kinn in die Hände, um Shiba-san ins Visier zu nehmen. Ihm schien das nicht so recht zu behagen. Er hockte hinter dem Tresen auf einem Stuhl und wich meinem Blick hartnäckig aus.
    »Wenn ich in dein Gesicht schaue, dann gerät mein S-Blut in Wallung, weißt du«, sagte er völlig cool, ohne aufzublicken.
    »Ach ja? Ich bin nämlich maso, vielleicht liegt das ja an meiner Ausstrahlung.«
    Shiba-san erhob sich hinter dem Tresen und schaute mich jetzt direkt an. Sein Blick war liebkosend, als hätte er ein Hündchen vor sich. Dann lehnte er sich zu mir, bis unsere Augen auf einer Höhe waren, hob mein Kinn mit seinen schlanken Fingern und lächelte mich an.
    »In diesen Hals würde ich gerne Nadeln stechen«, sagte er immer noch laut vernehmbar und sah aus, als würde er jeden Moment in schallendes Gelächter ausbrechen.
    »Dann bist du wohl eher ein savage als ein Sadist!«
    »Stimmt!«
    Ich schaute ihn verwundert an. Daß er dieses Wort kannte, hätte ich nicht vermutet.
    »Ich hätte gedacht, du weißt nicht, was das heißt.«
    »Oh, mit brutalen Wörtern kenne ich mich bestens aus.«
    Er lächelte scheu, nur die Mundwinkel leicht hochgezogen.
    Der spinnt total, dachte ich, doch zugleich verspürte ich ein starkes Verlangen, von ihm angefaßt zu werden. Ich legte meine Arme auf die Tischplatte, hob das Kinn und ließ mich von ihm am Hals streicheln.
    »He Shiba-san, nimm die Pfoten weg von meiner Kleinen!«
    Amas nervige Quakstimme unterbrach unser Techtelmechtel.
    »Äh? Ich hab bloß ihre Haut gecheckt, für den Fall, daß sie sich tätowieren läßt.«
    Auf die Erklärung hin entspannten sich Amas Züge: »Ach so.«
    Wir kauften noch einige Piercingringe, bevor wir uns von Shiba-san verabschiedeten und den Laden verließen.
     
    Ich hatte mich daran gewöhnt, draußen neben Ama herumzulaufen. Er hatte jeweils drei 4-g-Ringe an der linken Augenbraue und in der Unterlippe. Als würde er damit nicht schon genug auffallen, trug er obendrein ein Tanktop, damit sein Drachentattoo voll zur Geltung kam. Sein knallrot gefärbter Schopf war an den Seiten so kurz geschoren, daß oben ein fetter Irokesenstreifen prangte. Ehrlich gesagt, als ich ihn das erste Mal in dem Technoschuppen erblickte, war ich nicht sonderlich angetan. Bisher hatte ich mich nur in Clubs rumgetrieben, wo Hip-Hop oder Trance gespielt wurde, meistens zu irgendwelchen Veranstaltungen und dann mit Freunden. Ich dachte, die Läden hätten alle mehr oder weniger den gleichen Stil. An jenem Abend war ich ebenfalls mit meiner Clique unterwegs gewesen und auf dem Heimweg hatte mich ein Schwarzer mit gebrochenem Englisch in den Technoladen gelotst. Es war zwar auch ein Club, aber ganz anders als die andern. Auf dem Dancefloor wurden ausschließlich Stücke gespielt, die ich nicht kannte. Irgendwann nervte mich das, und ich ging rüber zur Bar, um mir einen Drink zu bestellen. Da entdeckte ich Ama. Obwohl alle schrill aussahen, stach er aus der Menge hervor. Als unsere Blicke sich trafen, steuerte er schnurstracks auf mich zu. Es wunderte mich ein bißchen, daß solch ein Typ Frauen ansprach. Nachdem wir eine Weile herumgeblödelt hatten, fühlte ich mich von seiner Zunge völlig in den Bann gezogen. Auch jetzt konnte ich mir nicht so recht erklären, wieso sie mich derart faszinierte. Und was mich nun selbst zu dieser body modification
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher