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Tokyo Love

Tokyo Love

Titel: Tokyo Love
Autoren: Hitomi Kanehara
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Blick wieder mir zuwandte und mit den Schultern zuckte.
    »Hm, schon gut. Es geht mich nichts an.«
    »Aha«, erwiderte Shiba-san im gleichgültigen Tonfall. Er kam hinter dem Tresen hervor und ging aus dem Laden. Zehn Sekunden später ging die Tür auf, und er kam wieder zurück.
    »Sag schon … was ist denn los?«
    »Ich hab einen wichtigen Kunden, deshalb hab ich den Laden dichtgemacht.«
    »Mhm«, sagte ich tonlos und blätterte weiter in der Mappe rum. Dann gingen wir ins Hinterzimmer, um mein Tattoodesign auszutüfteln. Shiba-san entwarf dabei etliche wunderschöne Skizzen, und das in einem atemberaubenden Tempo. Ich wurde richtig neidisch auf sein künstlerisches Talent, das mir leider gänzlich fehlte.
    »Also ehrlich gesagt, ich bin noch am Überlegen. So ein Tattoo hat man schließlich sein Leben lang. Wenn ich mich schon dazu entschließe, dann will ich auch das Nonplusultra, verstehst du?«
    Das Kinn auf die Faust gestützt, zeichnete ich Shiba-sans Entwurf eines Drachen mit dem Finger nach.
    »Da hast du recht. Heutzutage kann man es zwar mit Laser wieder wegmachen, aber grundsätzlich gibt’s da kein Zurück. Was mich betrifft, so brauche ich natürlich bloß mein Haar drüberwachsen lassen.« Dabei strich er sanft über den tanzenden Drachen auf seinem Hinterkopf.
    »Du hast doch nicht nur das eine da, stimmt’s?«
    Shiba-san grinste: »Willst du’s sehen?«
    Ich nickte kurz, worauf er sich das langärmlige T-Shirt über den Kopf zog. Sein Körper war gleich einer Leinwand mit Linien und Farben übersät. Auf seinem Rücken gab es einen Drachen, ein Wildschwein, einen Hirsch, Schmetterlinge, Pfingstrosen, Kirschblüten und eine Kiefer.
    »Ein Inoshikacho {  } «, sagte ich.
    »Ja, ich mag die Hanafuda-Karten«, erwiderte er.
    »Aber es fehlen noch der Buschklee und der Rotahorn.«
    »Na ja, es gab keinen Platz mehr, also mußte ich darauf verzichten.«
    »Ziemlich gelungen«, lobte ich das Werk. Daraufhin drehte er sich zu mir um, und mein Blick fiel auf ein weiteres vierbeiniges Tier.
    »Ah, ein Kirin {   } «, rief ich.
    Ich war wie hypnotisiert von der gehörnten Kreatur, die auf Shiba-sans rechten Oberarm tätowiert war.
    »Wie, du kennst dieses Tier? Das ist nämlich mein ganzer Stolz. Ein heiliges Wesen. Es trampelt weder auf frischem Gras herum, noch frißt es andere Tiere. In gewissem Sinne ist es der Gott der Fauna.«
    »Ich wußte gar nicht, daß es nur ein Horn besitzt.«
    »Ach so, na ja, es ist ein Fabeltier, das die Chinesen erfunden haben. In der Legende heißt es, eines der Hörner läge eingestülpt im Fleisch.«
    »Das wäre was für mich«, murmelte ich, als ich seinen Arm betrachtete.
    Shiba-san wurde für einen Moment ganz still und senkte beschämt den Kopf.
    »Solch ein Tattoo kann nur ein Meister der japanischen Spitzenklasse anfertigen. Ich selbst habe mich noch nicht an ein Kirin gewagt.«
    »Kann ich es denn nicht von deinem Meister machen lassen?«
    »Der ist leider schon tot.«
    Shiba-san hob seinen Kopf und starrte mir mit ernstem Blick in die Augen. Er seufzte kurz und zuckte auf lässig amerikanische Art mit den Schultern.
    »Er hat sich umgebracht; mit einem Kirin-Bildnis im Arm hat er sich selbst verbrannt. Wie bei Akutagawa Ryunosuke. Vielleicht hat er den Zorn des Kirin auf sich gezogen, weil er mit seinem Tattoo ein Sakrileg gegen ein heiliges Wesen begangen hatte. Könnte gut sein, daß man verflucht ist, wenn man ein Kirin tätowiert.«
    Sein Ton klang ein wenig spöttisch, und er strich sich die ganze Zeit über den Arm, auf dem sein Kirin prangte. Ich war noch nicht bereit, die Sache aufzugeben. Mein Blick hing weiterhin fasziniert an diesem Fabelwesen.
    »Außerdem ist solch ein Kirin eine Mischung aus Hirsch, Stier, Wolf und was weiß ich, also eine ganze Ansammlung von Tieren. Das macht eine Höllenarbeit, so was zu tätowieren.«
    »Ach bitte, Shiba-san … es gefällt mir so sehr! Bitte, tu mir den Gefallen! Du brauchst ja nur die Vorlage zu zeichnen.«
    Shiba-san blickte leicht genervt und schnalzte mit der Zunge. Doch dann gab er nach und brummte: »Na meinetwegen.«
    »Super! Danke, Shiba-san!«
    »Ich zeichne erst mal nur den Entwurf, weiter nichts. Was willst du als Hintergrund haben, irgendwelche besonderen Wünsche?«
    Ich überlegte eine Weile und blätterte dann noch mal die Alben mit den Vorlagen durch.
    »Hier, das da, ich würde es gern mit Amas Drachen kombinieren.«
    Shiba-san betrachtete den Drachen eingehend. »Verstehe«,
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