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Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Titel: Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag
Autoren: Barry Eisler
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gleichsam als eine natürliche Ausweitung der Beziehungen, die sich während der Besatzung nach dem Krieg entwickelt hatten, und die LDP war nur allzu gern bereit, die Rolle gegen entsprechende Barzahlungen zu übernehmen.
    Im Grunde war ich bloß ein Laufbursche gewesen, der Schmiergelder verteilte, aber ich hatte einen guten Draht zu einem der Nutznießer von Onkel Sams Freigebigkeit, einem Mann namens Miyamoto. Einer von Miyamotos Mitarbeitern war sauer, weil er meinte, ein zu kleines Stück vom Kuchen abzubekommen, und er drohte, die Sache auffliegen zu lassen, wenn nicht mehr für ihn raussprang. Miyamoto war ratlos; der Mitarbeiter hatte die gleiche Taktik schon einmal angewandt und daraufhin eine ordentliche Erhöhung erhalten. Jetzt war er nur noch gierig. Miyamoto fragte mich, ob ich nicht irgendetwas in dieser Angelegenheit unternehmen könne, für 50.000 Dollar, «und keine Fragen».
    Das Angebot interessierte mich, aber ich wollte mich absichern. Ich erklärte Miyamoto, ich könne zwar nicht selbst aktiv werden, ihn aber mit jemandem in Kontakt bringen, der vielleicht in der Lage wäre, ihm zu helfen.
    Dieser Jemand wurde zu meinem Alter Ego, und im Laufe der Zeit habe ich Maßnahmen ergriffen, um die Spuren des realen John Rain zu verwischen. Unter anderem verwende ich nicht mehr meinen Geburtsnamen oder irgendetwas, was damit in Verbindung gebracht werden könnte, und ich habe mich operieren lassen, um meiner leicht unterentwickelten epikanthischen Lidfalte ein eindeutiger japanisches Aussehen zu verleihen. Zudem trage ich die Haare heute deutlich länger als früher, als ich den Bürstenschnitt bevorzugte. Eine Nickellesebrille, ein Zugeständnis an das Alter und seine Folgen, verleiht mir ein wenig die Aura eines Bücherwurmes, ein drastischer Unterschied zu meinem überaus soldatischen Auftreten in der Vergangenheit. Heute sehe ich eher aus wie ein japanischer Akademiker und nicht mehr wie der Halbblut-Krieger, der ich einst war. Seit über zwanzig Jahren habe ich von meinen Kontaktpersonen aus der Laufburschenzeit niemanden mehr wiedergesehen, und ich halte großen Abstand zur CIA. Nachdem sie mir und Crazy Jake in Bu Dop so übel mitgespielt hatten, war ich nur allzu bereit, sie aus meinem Leben zu streichen.
    Miyamoto hatte mich mit Benny in Kontakt gebracht, der in der LDP mit Personen zusammenarbeitete, die ähnliche Probleme hatten wie Miyamoto, Probleme, die ich lösen konnte. Eine Zeit lang arbeitete ich für sie beide, aber Miyamoto ging vor etwa zehn Jahren in den Ruhestand und verstarb nicht lange danach friedlich in seinem Bett. Seitdem ist Benny mein bester Kunde. Ich erledige im Jahr drei bis vier Jobs für ihn oder denjenigen, für den er in der LDP den Strohmann macht, und kassiere dafür jeweils rund 100.000 Dollar in Yen. Hört sich nach viel an, ich weiß, aber ich habe schließlich auch Betriebskosten: Ausrüstung, verschiedene Wohnungen, eine reale, aber Verlust machende Beratungsfirma, die mich mit Steuerbelegen und sonstigen Legalitätsnachweisen versorgt.
    Benny. Ich fragte mich, ob er irgendetwas darüber wusste, was im Zug passiert war. Das Bild des Fremden, der die Taschen des zusammengesackten Kawamura durchsuchte, war für mich wie etwas Störendes zwischen den Zähnen, und ich kam immer und immer wieder darauf zurück, suchte nach irgendeiner Erklärung. Zufall? Vielleicht hatte der Mann nach Ausweispapieren gesucht. Nicht gerade die wirksamste Hilfeleistung bei einem Menschen, der aus Sauerstoffmangel blau anläuft. Aber ungeübte Menschen reagieren unter Stress nicht immer rational, und das erste Mal jemanden sterben zu sehen ist eine Stresserfahrung. Oder er könnte Kawamuras Kontaktmann gewesen sein, der im Zug war, weil irgendetwas übergeben werden sollte. Vielleicht war das ihre Methode: eine fliegende Übergabe in einem voll besetzten Zug. Kawamura ruft den Kontaktmann von Shibuya aus genau in dem Moment an, bevor er in den Zug steigt, sagt: «Ich bin im drittletzten Wagen, verlasse jetzt den Bahnhof», und der Kontaktmann weiß, wo er einsteigen muss, wenn der Zug in die Station Yoyogi einrollt. Klar, vielleicht.
    Solche kleinen Zufälle kommen in meiner Branche eigentlich häufig vor. Sie setzen automatisch ein, wenn man anfängt, das menschliche Verhalten zu studieren – wenn man den Durchschnittsmenschen in seinem gewöhnlichen Tagesablauf beschattet, seinen Gesprächen lauscht, seine Gewohnheiten studiert. Die glatten Formen, die man aus der Entfernung für
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