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Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Titel: Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag
Autoren: Barry Eisler
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selbstverständlich hält, können bei genauer Beobachtung zusammenhanglos und bizarr wirken, wie Stofffasern unter einem Mikroskop.
    Ein paar von den Zielpersonen, auf die ich angesetzt werde, sind in illegale Geschäfte verwickelt, und da ist der Zufallsfaktor besonders hoch. Ich habe schon Personen verfolgt, die, wie sich herausstellte, gleichzeitig von der Polizei observiert wurden: einer der Gründe, warum meine Fähigkeiten im Bereich Gegenaufklärung so ungemein hoch entwickelt sein müssen, wie es der Fall ist. Geliebte sind ein häufiges Thema und manchmal sogar Zweitfamilien. Eine Zielperson, die ich gerade erledigen wollte und der ich auf einem Bahnsteig folgte, verschaffte mir die Überraschung meines Lebens, indem sie sich vor den einfahrenden Zug warf und mir damit die Arbeit abnahm. Der Kunde war begeistert und völlig perplex, dass ich es geschafft hatte, es auf einem belebten Bahnsteig wie Selbstmord aussehen zu lassen.
    Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass Benny irgendetwas wusste, und dieses Gefühl machte es umso schwerer, diesen kleinen Zufall beiseite zu schieben. Wenn ich irgendwie mit Sicherheit feststellen könnte, dass er eine meiner drei Regeln gebrochen und ein zweites Team auf Kawamura angesetzt hatte, würde ich ihn finden, und er würde dafür bezahlen. Aber es gab keine Möglichkeit, das eindeutig festzustellen. Ich würde diese Frage zurückstellen und sie vielleicht im Kopf als «unerledigt» ablegen müssen, um mich besser zu fühlen.
    Am nächsten Tag kam das Geld, wie Benny versprochen hatte, und die folgenden neun Tage waren ruhig.
    Am zehnten Tag bekam ich einen Anruf von Harry. Er meldete sich als mein Freund Koichiro und sagte, er sei am Dienstag um acht mit ein paar Freunden im Restaurant Galerie Coup Chou in Shinjuku verabredet und es wäre schön, wenn ich auch käme. Ich erwiderte, ich fände die Idee gut und würde versuchen zu kommen. Ich wusste, dass ich in den Gelben Seiten für Tokio-Stadt unter der Rubrik Gaststätten fünf Einträge zurückzählen musste, wodurch sich Las Chicas als unser Treffpunkt ergab, und dass ich vom Datum fünf Tage und von der Uhrzeit fünf Stunden abziehen musste.
    Das Las Chicas gefällt mir als Treffpunkt, weil alle, die dorthin wollen, auf dem Weg zum Eingang gut zu sehen sind, wenn sie einen kleinen Innenhof durchqueren. Das Gebäude ist von verwinkelten Gassen umgeben, die sich in alle Richtungen davonschlängeln und keine geeigneten Stellen für einen Hinterhalt aufweisen. Ich kenne mich in diesen Gassen gut aus, da ich mich immer mit jedem Viertel gründlich vertraut mache, in dem ich mich häufig aufhalte. Ich war mir ganz sicher, dass es jedem, der mir Böses wollte, schwer fallen würde, dort nah genug an mich heranzukommen.
    Auch das Essen und die Atmosphäre in dem Lokal sind gut. Sowohl die Speisekarte als auch die Gäste repräsentieren eine Mischung aus Ost und West. Indischer Jeera -Reis und belgischer Kakao, eine rabenschwarzhaarige Schönheit mit den hohen Wangenknochen mongolischer Ahnen neben einer Blondine frisch von den Fjorden, ein Gewirr aus vielen Sprachen und Akzenten. Irgendwie gelingt es Las Chicas, immerzu hip und doch völlig selbstzufrieden zu sein, beides gleichzeitig.
    Ich war zwei Stunden zu früh da und wartete, trank einen Chat Latte, für den das Lokal zu Recht berühmt ist. Man sollte nie als Letzter zu einem Treffen kommen. Es ist unhöflich. Und es verringert die Aussichten, derjenige zu sein, der auch wieder geht.
    Kurz vor drei sah ich Harry die Straße entlangkommen. Er entdeckte mich erst, als er schon im Lokal war.
    «Immer mit dem Rücken zur Wand», sagte er, als er auf mich zukam.
    «Mir gefällt der Blick», erwiderte ich trocken. Die meisten Menschen achten absolut nicht auf so etwas, aber ich hatte ihm beigebracht, dass man diese Dinge registrieren muss, wenn man einen Raum betritt. Die Leute mit dem Rücken zur Tür sind die Zivilisten; diejenigen mit den strategischen Plätzen könnten Menschen mit Erfahrung auf der Straße sein oder Profis, Menschen, die ein wenig mehr Aufmerksamkeit verdienen.
    Ich hatte Harry fünf Jahre zuvor in Roppongi kennen gelernt, wo er in einer Bar, in der ich die Zeit bis zu einem Termin totschlug, mit ein paar betrunkenen amerikanischen Marines, die gerade dienstfrei hatten, aneinander geraten war. Harry wirkt mitunter schon ein bisschen kauzig: Manchmal passt ihm seine Kleidung so schlecht, dass man meinen könnte, er hätte sie von irgendeiner Wäscheleine
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