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Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Titel: Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag
Autoren: Barry Eisler
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nahe kam.
    Bis jetzt war das nicht der Fall. Aber ich kannte Tatsu. In Vietnam hatte er die Grundlagen der Spionageabwehr schon begriffen, als noch nicht einmal die höheren Tiere der CIA in der Lage waren, den schlichten Aufbau einer typischen Vietcong-Einheit detailliert darzustellen. Obwohl er nur durch Zuhören lernen sollte, hatte er operative Anhaltspunkte geliefert. Statt wie bei Attaches üblich gemütlich in seiner Dienstvilla Berichte zu schreiben, hatte er darauf bestanden, vor Ort zu arbeiten.
    Seine Vorgesetzten waren über seinen Eifer entsetzt gewesen, wie er mir einmal verbittert bei erheblichen Mengen Sake erzählt hatte, und sie hatten die von ihm gelieferten Informationen geflissentlich ignoriert. Letzten Endes waren seine Ausdauer und sein Mut vergebliche Liebesmüh gewesen. Ich wünschte, er hätte aus dieser Erfahrung gelernt.
    Aber das war vermutlich unmöglich. Tatsu war ein wahrer Samurai, und er würde weiter demselben Herrn dienen, ganz gleich, wie oft dieser Herr ihn missachtete oder sogar missbrauchte. Ergebenes Dienen war das höchste Ziel, das er kannte.
    Ungewöhnlich war, dass die Keisatsucho in einem simplen Einbruchsfall ermittelte. Irgendetwas an Kawamuras Tod und dem, was er zuvor getan hatte, musste Tatsus Aufmerksamkeit erregt haben. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, mein alter Kriegskamerad beobachte mich durch einen Einwegspiegel, sah eine Gestalt hinter der Scheibe, ohne zu wissen wen, und ich war froh, dass ich so viele Jahre zuvor beschlossen hatte, von seinem Radarschirm zu verschwinden.
    «Du musst mir nicht verraten, ob du davon gewusst hast», unterbrach Harry meine Grübelei. «Ich kenne die Regeln.»
    Ich überlegte, wie viel ich preisgeben sollte. Wenn ich mehr herausfinden wollte, wären seine Fähigkeiten hilfreich. Andererseits behagte mir der Gedanke nicht, dass er sich dann zusammenreimen könnte, womit ich in Wahrheit mein Geld verdiente. Schon jetzt fehlte dazu nicht mehr viel. Da war zum Beispiel Tatsus Name auf dem Bericht. Ich musste annehmen, dass Harry dem nachgehen würde wie einem Link im Internet, dass er auf Tatsus Verschwörungstheorie stoßen, eine Verbindung zu mir wittern würde. Keineswegs ein eindeutiger Beweis, das zwar nicht, aber Harry und Tatsu zusammen verfügten schon über eine ziemlich große Anzahl von Puzzleteilchen.
    Während ich im Las Chicas saß und meinen Chat Latte trank, musste ich mir eingestehen, dass Harry ein Problem werden könnte. Die Erkenntnis deprimierte mich. Verdammt, dachte ich, du wirst langsam sentimental.
    Vielleicht war es an der Zeit, mit dem Scheiß aufzuhören. Vielleicht war es diesmal wirklich so weit.
    «Davon habe ich nichts gewusst», sagte ich nach einem Moment. «Das ist ein ungewöhnlicher Fall.» Ich sah kein Risiko darin, ihm von dem Fremden im Zug zu erzählen, deshalb tat ich es.
    «Wenn wir in New York wären, würde ich sagen, das war ein Taschendieb», sagte er, als ich fertig war.
    «Das habe ich zuerst auch gedacht. Aber für einen Weißen in Tokio wäre Taschendieb eine ziemlich bescheuerte Berufswahl. Man darf nicht auffallen.»
    «Gunst der Stunde?»
    Ich schüttelte den Kopf. «Es gibt nur wenige Menschen, die so schamlos und kaltblütig sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ausgerechnet an diesem Morgen einer von ihnen direkt neben Kawamura gestanden hat. Ich denke, der Kerl war Kawamuras Kontaktperson, und es sollte so eine Art Übergabe stattfinden.»
    «Was glaubst du, wieso die Keisatsucho in einem Nullachtfünfzehn-Einbruch in eine Tokioter Wohnung ermittelt?», fragte er.
    «Ich weiß es nicht», sagte ich, obwohl mir Tatsus Beteiligung zu denken gab. «Vielleicht Kawamuras Position in der Regierung, sein kürzlicher Tod, irgendwas in der Art. Das wäre meine Theorie.»
    Er sah mich an. «Soll ich mich da reinhängen?»
    Ich hätte es auf sich beruhen lassen sollen. Aber man hatte mich schon einmal benutzt. Das Gefühl, dass es wieder passiert war, würde mich nachts nicht schlafen lassen. Hatte Benny ein B-Team auf Kawamura angesetzt? Ich dachte mir, es könnte nichts schaden, wenn Harry sich ein bisschen schlau machte.
    «Das tust du doch sowieso, oder?», fragte ich.
    Er blinzelte. «Wahrscheinlich werde ich mir das nicht verkneifen können.»
    «Na dann, häng dich rein. Sag mir Bescheid, was du sonst noch so rausfindest. Und pass auf dich auf, du Superass. Werd bloß nicht nachlässig.»
    Die Warnung galt uns beiden.

3
    DIE MAHNUNG an Harry, er
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