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Toete John Bender

Toete John Bender

Titel: Toete John Bender
Autoren: Vincent Voss
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probates Mittel dagegen wusste. Sie betraten eine Lichtung, die eine große, umgestürzte Kiefer in den Wald gerissen hatte. Wolfgang stöhnte. Erst wenige Minuten zuvor hatten sie dieselbe Lichtung durchquert.
    »Wir kommen nicht voran«, resignierte er und hustete. Ein Kratzen hatte sich in seinem Hals eingenistet. Er fror.
    »Vielleicht sollten wir Spuren hinterlassen«, schlug Doris vor und lehnte sich an einen Baumstamm.
    »Ja, bloß was?«, fragte Frederik.
    Während sie überlegten, lauschte Tom in sein Inneres. Er fühlte sich nicht mehr wie ein Kapitän für die anderen, sondern wie ein Kapitän in seinem Körper. Und sein Schiff drohte erneut, mit Maschinenausfall in ein Unwetter zu geraten. Herzschlag – viel zu schnell, drosseln! Die Befehle, die er aus seiner Kommandobrücke erteilte, wurden nicht befolgt oder gar nicht erst gehört. Atmung – schnell und flach. Er stieg die eiserne Treppe zum Maschinenraum hinab, fand aber niemanden mehr vor. Kontrollinstrumente spielten verrückt, Kolben und Antriebswellen ratterten unaufhaltsam und steuerten das Schiff ins Chaos. Er eilte zurück auf die Kommandobrücke, hörte die anderen im trommelnden Regen reden und sandte einen SOS-Ruf: »Ich glaube, es fängt schon wieder an!«
    Es war die letzte Äußerung Toms in einem halbwegs normalen Zustand, die sie hören sollten, ehe eine nicht unbedeutende Menge Lysergsäurediethylamid eine weitere Welle von Wahrnehmungsstörungen und Halluzinationen auslöste, die Tom erfassten, umrissen und in ein Chaos stürzten, aus dem er erst am nächsten Morgen erwachen sollte. Aber diese Zeit, in der der Kapitän das Schiff ›MS Tom‹ verlassen hatte, sollte sein Leben maßgeblich verändern.

    ***

    »W as fängt schon wieder an?«, wollte die Schildkröten-Hexe wissen, reckte ihren faltigen Hals und hielt sich den Kopf, um ihre Zauberkräfte zu sammeln. Der elefantöse Wolfgang trompetete und schlug sich mehrmals auf die Brust.
    »Ich verstehe«, sagte er und kam drohend auf ihn zu.
    »Besser, wenn du mir jetzt die Waffe gibst, Tom«, forderte er ihn zur Aufgabe auf.
    Tom kicherte. Was für ein Einfall! Ihnen die Waffe aushändigen und der Schildkröten-Hexe schutzlos ausgeliefert sein! Der baumlange und spindeldürre Frederik wiegte seinen Oberkörper hin und her, klemmte sich die Kamera unter den Arm, nahm seine Brille ab und mit ihr seine Augen aus dem Kopf, die nur noch über einen gallertartigen Strang mit diesem verbunden waren. Mit aufgerissenem Mund beobachtete Tom diese Menagerie des Grauens. Ein weiterer Blitz tauchte sie in bleiernes Zwielicht und Wolfgang nutzte Toms kurzfristige Unachtsamkeit, um sich, ohne einen Schritt getätigt zu haben, zu ihm hin zu bewegen. Er stand vor ihm und hielt ihm seine Pranke hin.
    »DEN REVOLVER!«, brüllte er und wedelte mit der Pranke hin und her, dass der Regen verglühte und Wind in Toms Gesicht blies.
    »Ja, warte«, antwortete Tom und sah abwechselnd Doris und Wolfgang an. Langsam und zittrig tastete er nach der Waffe in seinem Hosenbund, umfasste den Knauf und zog sie hervor. Tom plante, den elefantösen Wolfgang mit dem Revolver zu bedrohen, ihn zwischen sich und die Schildkröten-Hexe zu bringen, um dann die Flucht in den Wald zu seinen Freuden, den Bäumen, anzutreten.
    Dann knisterte das Funkgerät in Wolfgangs Brusttasche und es veränderte alles.

    ***

    »T OM! Hier ist Lynn. TOM, hier ist irgendwas, TOM!«
    Es rauschte. Wolfgang fingerte das Funkgerät aus der Tasche, wollte antworten. Ein panischer Schrei gellte durch den Äther und Wolfgang ließ das Midland vor Schreck in den Schlamm fallen. Immer noch hörten sie Lynn schreien. Schildkröten-Hexe Doris öffnete ihren Mund und brummte ein tiefes »OH«, welches auf eine Frequenz und eine Lautstärke anschwoll, dass die Erde unter Toms Füßen vibrierte. Gleißendes Licht strömte aus ihrem Rachen, suchte zitternd einen Weg zum Funkgerät und verband sich damit. Lynns Schrei und der Bass synchronisierten sich zu einem Ton, der nur zum Ziel haben konnte, Toms Kopf zerplatzen zu lassen.
    »Nein, ihr kriegt mich nicht!«, schrie er, riss Wolfgang die Taschenlampe aus den Händen und rannte mit gezogener Waffe in den Wald.

    ***

    E r stolperte über eine Wurzel, fiel der Länge nach hin und ließ die Taschenlampe fallen.
    »TO-HOM!«, hörte er seine Verfolger nach ihm schreien und das Echo seines Namens dröhnte in seinem Schädel. Im klebrigen Schlamm suchte er nach der Lampe. Immer noch spürte er die
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