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Toete John Bender

Toete John Bender

Titel: Toete John Bender
Autoren: Vincent Voss
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sie das Chaos eines wildwachsenden Waldes, jedes einzelne Bild festgefroren, eingetaucht in ein bedrohliches Zwielicht, bis wieder völlige Dunkelheit herrschte.
    »Das Blut«, flüsterte Doris. Sie wog schwer in Wolfgangs Armen. Von Tom keine Spur und zum Rufen fehlte ihm der Atem. Ein kurzes Aufleuchten vor ihnen! Eine Lampe. Ihr schwacher Schein hatte sie gestreift. Eine Stimme … blechern.
    » … Over!«
    »Das ist Tom!«, stellte Wolfgang außer Atem fest und sie lauschten.
    Ein elektrostatisches Knacken.
    »Tom, wo seid ihr? Melde dich. Hier Sascha. Over.«
    Wolfgang hatte die Position der Konservenstimme lokalisieren können, stürzte vor und zerrte Doris mit sich. Nur ein paar Schritte vor ihnen! Er achtete nicht auf Äste, die sich ihm in den Weg stellten und sich in sein Fleisch bohrten. Wieder das Licht.
    »Frederik, hier ist er!«, rief Wolfgang.
    Tom wandte sich von einem Baum ab, vor dem er stand, und drehte sich zu ihm um.
    »Wolfgang!«, sagte er überrascht.

    ***

    T om musste verschwinden, ehe sie sein auffälliges Verhalten bemerkten. Und nicht nur das. Doris' Verwandlung, ihre veränderten Stimmen … Obwohl der rationale Teil in ihm erkannte, dass die Wirkung dieser unbekannten Substanz diese Wahrnehmungsstörungen hervorrief, konnte er sich der Angst, die diese in ihm bewirkten, nicht erwehren. Sein gesamtes Körpergefühl hatte sich verändert, seine Balance, sein Schmerzempfinden, das Gefühl für sein eigenes Gewicht, die Geschwindigkeit seiner Bewegungen – alles oblag immer weniger seiner Kontrolle. Wie ein Fremder in seinem eigenen Körper steuerte er sich durch dichte Baumreihen, zwischen umgestürzte, halb verrottete Stämme, durch tief hängende Äste und einen Regen, der ihm in Rinnsalen vom Körper strömte.
    Der schwere Boden und tiefe Pfützen umschlossen jeden seiner Schritte, hielten ihn – nein, saugten ihn – förmlich fest und standen im Kontrast zu seiner gefühlten Schwerelosigkeit. Das Versinken und wieder Loslösen jedes Schrittes musste angestrengt koordiniert werden. Das Eintauchen des Fußes in den Schlamm, festgesaugt werden … loslösen, loslösen!, Freiheit, fliegen, fliegen! einfangen, einfangen! Wie ein Kosmonaut konzentrierte er sich auf jede Bewegung, als die Bäume vor ihm knarrend und ächzend zusammenrückten, aus Borke und Rinde Gesichter mit fleischigen Lippen bildeten, die ihm zuflüsterten.
    »Tom«, wisperten sie leise.
    »Tom!«, raunten sie.
    »Ja«, antwortete er, ohne sprechen zu müssen. Die Kommunikation fand telepathisch statt.
    »Die Schildkröten-Hexe ist an allem schuld, hörst du? Hüte dich vor ihr!«, sagte ein Baum, der ihn an seinen längst verstorbenen Großvater erinnerte. Etwas biss ihn am Oberschenkel, dort wo er das Funkgerät bei sich trug.
    »Tom! Bitte kommen! Hier ist Sascha. Over!«, knarzte es und versuchte sich aus seiner Halterung zu befreien. Tom schlug zweimal danach.
    »Was soll ich tun?«, bat er den Baum um Hilfe, hatte Schwierigkeiten die Verbindung zu ihm zu halten, solange er mit dem Ding kämpfen musste.
    »Tom, wo seid ihr? Melde dich. Hier Sascha. Over.«
    Tom traute sich nicht, es loszureißen, aus Angst, es würde sich wieder an ihm festsaugen. Er ignorierte es und versuchte erneut, Kontakt zu dem Baum aufzunehmen.
    »Frederik, hier ist er!«, brüllte es hinter ihm und der elefantöse Wolfgang brach durch das Gehölz.
    Tom drehte sich zu ihm. »Wolfgang!«, rief er überrascht.
    Hinter Wolfgang versteckt, lugte die alte Schildkröten-Hexe hervor. Tom musterte sie feindselig.

    ***

    »T om! Hier ist Sascha, melde dich jetzt, verdammt noch mal! Over.«
    »Warum bist du … das ist Sascha!«, stellte Wolfgang mit Erstaunen fest. Frederik filmte aus dem Hintergrund.
    Tom sah zum Funkgerät an seinem Gürtel wie auf eine unüberbrückbare Schlucht, die vor ihm lag. Das Midland glänzte fleischig und zuckte in seiner Halterung hin und her. Die Situation war abstrus. Seine Abscheu vor dem … Ding … war zu groß, um es anzufassen. Er schluckte, fühlte sich in die Enge getrieben.
    »Das ist nicht Sascha«, behauptete er und sah auf.
    »Was sagst du?«
    »Das ist schwer zu erklären«, bemühte sich Tom, so normal wie möglich zu klingen, und suchte nach einer Möglichkeit zumindest Wolfgang auf die Gefahr hinzuweisen, die von der Schildkröten-Hexe ausging, die bei ihm Schutz suchte.
    »Na, dann fang mal an«, sagte Wolfgang, den die Situation offenbar nervte. Mittlerweile fühlte er sich, wie der einzig Normale
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