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Toete John Bender

Toete John Bender

Titel: Toete John Bender
Autoren: Vincent Voss
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würde. Er litt unter Schweißausbrüchen und Herzrasen und suchte beinahe panisch nach den kleinsten Veränderungen seiner Wahrnehmung. Ihm war intuitiv bewusst, dass gerade diese paranoide Haltung Halluzinationen fördern würde, dennoch konnte er sich nicht dagegen wehren. So auf sich und seine Umgebung achtend, fiel es ihm umso schwerer, sich in dem dichten Gehölz bei starkem Regen zu orientieren. Als sie außer Sichtweite des Bunkers waren, hatte er seinen einzigen Anker verloren, an dem er ihren Standort hätte festmachen können. Der Kapitän steuerte ohne Navigation und auf Drogen bei Unwetter mit einer meuternden Crew durch ihm unbekannte und unwirtliche Gewässer. Tom kicherte bei dieser Vorstellung, unterdrückte diesen humorigen Anfall aber sofort, weil ihn sein eigenes Gelächter ängstigte. Es fängt schon wieder an! Beherrsche dich, Tom!
    »Ich glaube wir müssen hier lang!«, sagte er, weil ihm die Dauer des Schweigens unglaublich lang vorkam. Wie Stunden schon. Vorsichtig sah er sich nach den anderen um, und erschrak. Frederik ging direkt hinter ihm und hielt etwas vor sich, das aussah wie eine Waffe, dahinter folgten Wolfgang und Doris.
    »Was soll das?«, fragte Tom, sein Herzschlag fuhr auf der Überholspur und er tastete unauffällig nach dem Revolver.
    »Ist wasserfest«, antwortete Frederik. »Hab’ mir gedacht, dass so was vielleicht passiert. Also, nicht so was jetzt, aber dass es regnet, meine ich.«
    Tom erkannte eine kleine Handkamera, entspannte sich und interessierte sich für den Regen, der über Frederiks Gesicht rann, von seiner Nase abfloss, sich auf seiner vorgestülpten Oberlippe sammelte und abperlte. Im Schein des fahlen Lichts sah es faszinierend aus.
    »Filmst du etwa?«, schrie Wolfgang in den Regen, dass Tropfen von der Schallwelle seines Organs erfasst wurden und zerplatzten.
    Es geht wieder los! Toms Atmung beschleunigte sich, wurde flacher und er spürte einen starken Druck um seinen Brustkorb. Weiter, irgendwie weiter, Tom! Schildkröte Doris reckte ihren faltigen Hals unter ihrem Panzer hervor und beäugte ihn allwissend. »Ooooh«, stöhnte sie.
    Tom drehte sich abrupt um, kämpfte gegen die Wirkung der unbekannten Droge an und bahnte sich einen Weg durch die nassen Stämme der Bäume, deren Rinde wie eine feuchte, ledrige Haut aussah. Er ahnte die Macht der sich nahenden Welle und wusste, seine erste Halluzination war nur ein Vorbote dessen gewesen, was ihn noch erwarten würde.

    ***

    »J a«, antwortete Frederik auf Wolfgangs Frage. »So was Stimmungsvolles erlebe ich bestimmt nie wieder. Hoffentlich wird das was!«
    Wolfgang schüttelte verständnislos den Kopf. Doris, die seine Hand hielt, drückte diese fest und stöhnte auf. Kopfschmerzen durchzuckten sie, wie damals, als Joachim sich die halbe Hand abgesägt hatte. Sie ging in die Knie und hielt sich den Kopf. Wolfgang stützte sie, sah Tom in der Dunkelheit mit seiner Taschenlampe verschwinden.
    »Tom, was soll das? Warum haut der ab?«, rief Wolfgang und sah ihm nach. »Doris! Komm, Doris, alles wird gut. Wir müssen weiter, sonst verlieren wir Tom«, tröstete er, legte schützend einen Arm um sie und sah hilfesuchend zu Frederik.
    »Nun hilf mir endlich und hör auf, zu filmen!«, schrie er. Frederik ließ die Kamera sinken und putzte zum wiederholten Mal seine Brille mit seinem T-Shirt, setzte sie auf und sofort rann ihm wieder der Regen über die Gläser.
    Doris stöhnte auf. Der Geruch von frischem Blut lag so schwer in ihrer Nase, dass ihr schlecht davon wurde.
    »Wolfgang, es wird schlimmer … es wird etwas Furchtbares passieren.«
    »Beruhige dich. Nichts wird passieren, weil ich auf dich aufpasse. Komm. Komm hoch!« Sanft half er ihr auf, legte ihren Arm um seine Schulter und seinen um ihre Hüfte. »Los, weiter!«
    Sie folgten Tom. Frederik filmte den beiden hinterher. Was für Bilder! Dann schloss er sich ihnen an.

    ***

    S ie konnten kaum die Hand vor den Augen sehen, ihre Fackeln waren erloschen. Lediglich das Licht von Frederiks Kamera wies ihnen den Weg, erhellte aber nur die nächsten zwei, drei Meter bei dem Regen, der die Nacht schraffierte. Vollkommen durchnässt stapften sie durch den schlammigen Waldboden. Niemand von ihnen hatte so einen Schauer bisher erlebt.
    Es hatte sich spürbar abgekühlt, und über ihnen tobte ein gewaltiges Gewitter, dessen Blitze immer öfter und häufig gleichzeitig an mehreren Stellen die Dunkelheit zerrissen. Wie schnell aufeinanderfolgende Bilder sahen
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