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Toedliches Erbe

Toedliches Erbe

Titel: Toedliches Erbe
Autoren: Amanda Cross
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Einsiedlerin an sich und vergaß immer häufiger, wenn man sich angekündigt hatte. Dann gab es ein Stück vertrockneten Käse und ein Glas Wein als Mahlzeit. Der Wein war allerdings immer hervorragend«, fügte Max hinzu und wirkte dabei, als habe er sich vorgenommen, stets Gerechtigkeit walten zu lassen.
    »Sie mochte in Maine Meilen von allem entfernt gelebt haben – in diesen eleganten Küstenregionen gibt es genug Geld, und soweit man Zivilisation kaufen kann, ist sie dort auch zu haben.«
    Die höfliche Zurückhaltung, die Kate an Max immer so geschätzt hatte, ließ ihn nun in Schweigen fallen, während sie auf der Revere, der umstrittenen Umgehungsstraße von Boston, nach dem richtigen Weg suchte. Sie mußte dazu mehrere Verkehrskreisel überwinden, die offenbar extra dazu angelegt waren, Autos in die entgegengesetzte Richtung zu lenken, um ihnen Gelegenheit für einen Frontalzu-sammenstoß zu bieten. Erleichtert stellte sie fest, daß kaum jemand außer ihr in Richtung Norden unterwegs war: Die anderen Ver-kehrsteilnehmer waren offensichtlich auf der Suche nach belebteren Gebieten. Als sie sicher die Route erreicht hatte, über die sie zur Route 95 kommen würde, schweiften ihre Gedanken zu Cecily Hutchins. Ihr Tod war ein Schock gewesen, einmal, weil es keinerlei Vorwarnung gegeben hatte, keinen Hinweis auf eine Krankheit oder ein Nachlassen ihrer geistigen Kräfte, aber mehr noch, weil solch ein Verlust Kates ganzes Universum bis in die Grundfesten erschütterte.
    Cecily Hutchins war eine jener englischen Schriftstellerinnen gewesen, die der Aufmerksamkeit des Feuilletons und der akademischen Kritiker zu entgehen schienen oder sie mieden. Vielleicht war sie zu lesbar gewesen und zu feminin für die Zeit vor den siebziger Jahren.
    Eine von jenen, für die der erste Krokus immer wieder ein Wunder war. Den Ruhm, wie er sich in Einladungen zu Talkshows im Fernsehen und Fototerminen für Hochglanzmagazine niederschlägt, hatte sie spät kennengelernt. Sie hatte damals ein Buch über das Alleinsein geschrieben, über ihr einsames Leben an der felsigen Küste von Maine. Aber sie hatte sich so vehement gegen aufdringliche Wissenschaftler und die Schmeicheleien der Medienwelt gewehrt, daß diese sich am Ende mit Klatschgeschichten über ihr phantastisches und mysteriöses Privatleben zufriedengeben mußten.
    15

    »Warum ist sie Ihrer Ansicht nach zum Sterben nach England heimgekehrt?« fragte Kate.
    »Ich glaube, der Tod hat sie dort überrascht«, sagte Max. »Sie ist nicht auf der Suche nach ihm in Englands grüne und liebliche Fluren zurückgekehrt. Was für ein romantischer Mensch Sie sind, Kate.«
    »Sie war Mitte Siebzig. Der Gedanke müßte ihr gekommen sein.
    Warum nicht den Tod an jener felsigen Küste erwarten, die man so geliebt hat?«
    »Ich hoffe, Sie haben nicht vor, als Autorin romantischer Rühr-stücke zu reüssieren. Sollten Sie sich etwa diese primitive Hütte für einen derart ruchlosen Zweck ausgesucht haben?«
    »Ach, Unsinn. Nach Ricardos Tod lebte sie weiter an der Küste von Maine und konnte es kaum ertragen, sie auch nur für einen Tag zu verlassen. Zumindest wird das in den Artikeln über sie behauptet.
    Wenn sie plötzlich beschloß, noch einmal nach England zu fahren, muß es dafür einen Grund gegeben haben.«
    »Keinen sehr wichtigen. Sicher, ihr alter Hund war gestorben, und sie konnte unbeschwerter auf Reisen gehen. Cecily gehörte, ich muß das leider sagen, zu jenen Menschen, die sich bereitwillig an Lebewesen aus dem Tierreich binden, ein bedauerlicher, aber in England weit verbreiteter Fehler. Wenn Sie den oberflächlichsten Grund wissen wollen: Sie fuhr zur Hochzeit meines Neffen. Aber ich glaube keine Sekunde, daß das mehr als ein Vorwand war. Sie wollte England wiedersehen, und zufällig ist sie dann dort gestorben.«
    »Sie waren nicht auf der Hochzeit Ihres Neffen?«
    »Selbstverständlich nicht. Ich habe ihm ein Geschenk geschickt, das allerdings etwas zu extravagant war, und bin weiter meinen Pflichten nachgegangen. Schließlich kann man nicht seinen Universitätsposten verlassen, um auf der anderen Seite des Atlantiks Hochzeiten zu feiern, auch nicht, wenn Familienmitglieder involviert sind.
    Außerdem hätte ich wie verrückt hin und her fliegen müssen, und ich fliege nur, wenn es unbedingt nötig ist. Mein Ruf als egozentrischer Exzentriker hat sich inzwischen zufriedenstellend etabliert, und man hat mir verziehen. Die meisten Menschen machen einen Fehler, liebe
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