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Toedliches Erbe

Toedliches Erbe

Titel: Toedliches Erbe
Autoren: Amanda Cross
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war weniger extravagant als meines), und ihr Anwalt gibt dauernd telefonisch ermunternde Geräusche von sich.
    Ich wollte Sie, schon bevor ich wußte, daß ich Sie in Ihrer mysteriö-
    sen Fluchtburg aufstöbern muß, bitten, mitzukommen. Sie sind nicht nur eine gute Fahrerin, worauf ich gehofft hatte, sondern auch eine angenehme Gesellschaft. Man kann sich gut mit Ihnen unterhalten, und das wußte ich von vornherein. Ich habe vor, das Haus schnell, aber gründlich zu untersuchen. Dann möchte ich mit Ihnen gut essen und einen angenehmen Abend in dem Gasthaus verbringen. Morgen fahren wir ebenso angenehm zurück und berichten, daß alles in bester Ordnung ist. Übrigens, an wen sollte ich mich Ihrer Meinung nach wegen der Papiere wenden? An die Morgan- oder die Berg-18

    Bibliothek? Oder an die von Yale, Harvard oder Wallingford? Ich persönlich neige zu Wallingford, aber in diesem Punkt bin ich, wie in allen anderen, durchaus aufgeschlossen. Wallingford ist berühmt für äußerste Diskretion, das spricht mich an.«
    »Halten Sie sich fest«, sagte Kate. »Wir biegen hier ab. Jetzt müssen wir wahrscheinlich nach der Richtung fragen.«
    »Ganz bestimmt. Ich bin selten hier gewesen, und das auch nicht in letzter Zeit. Ich konnte mir all die Feldwege mit den Toren, die jedesmal geöffnet werden mußten, nie merken. Wir fragen am besten an der nächsten Tankstelle.«
    19

Zwei

    D ie unbefestigten Straßen waren tatsächlich ein Problem. Sie führten teilweise durch Wälder, kreuzten sich und boten hin und wieder verlockende Ausblicke auf das Meer. Max und Kate hatten Glück gehabt, denn sie waren an der Tankstelle, an der sie gehalten hatten, um nach dem Weg zu fragen, auf einen Mechaniker getroffen, der sich auskannte. Max hatte sich, tüchtig wie er war, ein paar schnelle Notizen der komplizierten Schilderung gemacht.
    »Sie werden schon merken, wenn Sie auf der richtigen Straße sind«, sagte der Tankwart. »Sie hat nämlich ein Eisentor installiert.
    Nicht, daß sie das vor dem Tod bewahrt hätte«, fügte er philoso-phisch hinzu. »Sie müssen aussteigen, es öffnen, dann wieder aussteigen und es schließen, und dann… ja, dann fahren Sie immer weiter bis zum Haus.«
    Sie waren den Notizen in Max’ ordentlicher Handschrift gefolgt.
    Max öffnete das Tor, ließ Kate durchfahren, schloß es wieder und stieg für die letzten Meter noch einmal in den Wagen. »Die Tore sollten offenbar zufällig vorbeikommende Leute abhalten, die vor allem im Sommer auf der Suche nach dem Meer sind. So, da wären wir.«
    Das Haus war wirklich eine Überraschung, vielleicht, dachte Ka-te, weil sie irgendwie eine Villa der Jahrhundertwende erwartet hatte, umgeben von englischen Rosenstöcken? Dieses Haus machte den Eindruck, als hätte sein Architekt es für einen Wettbewerb in Zu-kunftsarchitektur entworfen. Es war aus jenem gebleichten Holz gebaut, das aussah, als hätte es lange im Meer gelegen. Offensichtlich sollte das Gebäude am Rand des Meeres stehen und wirken wie vom Seewasser an Land getrieben. Als der Architekt dann, wie Kate vermutete, von seiner verrückten Auftraggeberin erfuhr, daß das Haus am Rand einer Wiese stehen sollte, hatte er seinen Entwurf nicht mehr verändert. Kate hatte sich nie so sehr für moderne Architektur begeistert, wie sie es eigentlich bei ihren sonst fortschrittlichen Ideen hätte tun sollen, aber dieses Haus war wie geschaffen für einen Standort direkt am Meer. Wie hatte sie annehmen können, daß Cecily sich einen zweistöckigen Bau mit breiter Freitreppe gewünscht hätte?
    Im Innern war das Haus noch eindrucksvoller. Von der Seeseite fiel das Licht in das große Zimmer zu ebener Erde. Das Wasser präg-20

    te seinen Charakter, und das Haus schien Teil eines ozeanischen Reiches zu sein. Die erste Etage erstreckte sich nicht über das gesamte Haus. Hier oben hatte Cecily sich ihr Zimmer so eingerichtet, wie das wohl für ein englisches Herrenhaus typisch war. Der Schreibtisch, die Bücher, der Teppich, der Kamin und die Unordnung bildeten einen scharfen Kontrast zu den klaren Linien des Hauptraums unten. Also hatte sie solche Kontraste in ihrem Leben gemocht. Dieses Zimmer ging nicht aufs Meer hinaus, als müsse man den Blick abwenden, um zu schreiben. Über dem Kamin – es fiel beim Eintreten als erstes ins Auge – hing das Porträt einer Frau: jung, blond und mit besonders liebenswertem Blick, wenn auch keine vollkommene Schönheit. Wer immer sie war, ihre wichtigste Eigenschaft war
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