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Toedliches Erbe

Toedliches Erbe

Titel: Toedliches Erbe
Autoren: Amanda Cross
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historischen Dokumenten ist, unabhängig von der Rolle, die ich selbst dabei gespielt haben mag. Und ich behaupte keineswegs, daß ich unbedeutend wäre. Der Architekt hat mir also einen Raum für die Akten gebaut, und ich habe alles aufbewahrt.
    Vielleicht würdest du sie gern verbrennen, wenn ich tot bin, aber, Max, tu das nicht. Verkauf sie zu dem höchsten Preis, den du erzie-len kannst, und laß die Kinder von dem Erlös ein Extratelefon einrichten. Dann brauchen sie keine Briefe zu schreiben, um Zeugnis von einer vergangenen Epoche abzulegen‹.«
    »Werden die Papiere viel Geld bringen?«
    »Wenigstens dreißigtausend. Mehr, wenn ich es geschickt anstelle und überzeugend wirke. Davon können ihre Kinder ein Leben lang ihre Telefonrechnungen bezahlen, egal wie irrwitzig die Telefonge-sellschaft ihre Gebühren anheben wird. Als nächstes müssen wir natürlich einen Gutachter hierher holen. Die sind weiß Gott teuer genug, aber wenn man einen guten findet, dann gilt sein Wort soviel wie das des Heiligen Geistes. Hier gibt es bestimmt irgendwo einen Wein. Genehmigen wir uns ein Glas?«
    Die Frage war, wie bei Max üblich, rein rhetorischer Natur, eine ebenso galante wie altmodische Floskel. Er ging die schmale Wendeltreppe hinunter, die in den großen, schönen Raum zurückführte.
    »Warten Sie unten, während ich den Wein hole?«
    »Gibt es hier oben ein Klo?«
    »Ihr Schlafzimmer und das Bad sind da drüben.«
    »Wie schön«, sagte Kate. »Es macht mir Spaß, ein bißchen in ihr Leben hineinzuschnuppern.«
    Cecilys Schlafzimmer war der nächtliche Zufluchtsort einer Schriftstellerin, einer Leserin, einer Denkerin. Man bemerkt auf den ersten Blick den Unterschied zwischen dem Schlafzimmer eines solchen Menschen und einem, dessen Bewohner es sich dekorativ hergerichtet hat. Ausladende Nachttische standen auf beiden Seiten des großen Bettes – Kate hatte den Verdacht, daß der alte Hund in den letzten Jahren das Bett mit ihr geteilt hatte. Es lagen noch immer Stapel von Büchern herum, dazwischen Papier und Stifte. Das Fenster ging nach Osten, und das, da war Kate sicher, mit Bedacht: So 23

    konnte das Morgenlicht hereinfluten und die Bewohnerin schon früh zu einem neuen Tag wecken. Da sie allein lebte, zog sie sich abends wohl früh zurück und konzentrierte ihre Lebenskräfte auf diesen einen Raum, wo ihr Geist sich Stärkung holte. Wenn man älter wird, schläft man weniger, und so hatte sie wahrscheinlich bis in die Nacht hinein gelesen, während der alte Hund an ihrer Seite schnarchte.
    »Was für ein blühender Unsinn«, schnaufte Kate selbstironisch, während sie das Badezimmer betrat und die Tür hinter sich schloß.
    »Es kann genausogut sein, daß sie sich erst um zwei Uhr morgens mit einer Flasche Gin ins Bett zurückgezogen, Kopfhörer aufgesetzt und Rockmusik gehört hat.« Aber die Stille strahlte eine Ordnung aus und eine Art zu leben, wie man sie für die Entfaltung der eigenen Kräfte braucht. Als Kate im Badezimmer fertig war, ging sie ins Studio zurück, setzte sich für einen Augenblick in Cecilys Sessel und betrachtete das Porträt. Cecilys Blick mußte jedesmal darauf gefallen sein, wenn sie aufblickte. Ist es nur Einbildung, daß einem diejenigen, die jung sterben, besonders vital erscheinen? Kate hatte einmal so etwas gehört. Vielleicht war es nur so wahr wie der alte Aber-glaube, daß diejenigen, die früh sterben müssen, das spüren und daher mit doppelter Intensität und doppelter Freude leben. Eine romantische Theorie, im doppelten Sinn.
    Die Akten in dem Zimmer nebenan würden für einen jungen, aufstrebenden Wissenschaftler, der sich einen Namen machen wollte, ein kleines Vermögen wert sein oder, genauer gesagt, für eine Bibliothek, die alles kaufen würde. Sie zog an einer der Metallschub-laden und war überrascht, wie vorher bei Max, daß sie sich öffnete.
    Sie kam sich vor wie eine Schnüfflerin und schloß sie sofort wieder.
    Seltsam, daß sie nicht verschlossen war. Aber warum sollte sie eigentlich, wo Cecily doch allein gelebt hatte? Kate ging an dem Porträt von Dorothy Whitmore vorbei wieder nach draußen und dachte, hier ist ein ganzes Leben gelebt worden, das noch am Ende voller Arbeit und jener Abgeschiedenheit war, die man wahre Einsamkeit nennen kann. Kate spürte, wie sehr sie die ehemalige Besitzerin um dieses Haus am Meer beneidete, und überlegte einen Augenblick wirklich, ob es wohl zu kaufen wäre. Was ließ in den mittleren Jahren die Einsamkeit so
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