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Toedliches Erbe

Toedliches Erbe

Titel: Toedliches Erbe
Autoren: Amanda Cross
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lassen.«
    »Heißt das, Sie kommen auch im Winter hierher?«
    »Sicher. Die Schönheit der Landschaft ist unvorstellbar, wenn auch die Stille, die eine der stärksten Anziehungspunkte war, dahin ist. Aber davon fange ich lieber gar nicht erst an. Diese verrückten Motorschlitten, die bis tief in die Nacht herumfahren, einen Krach machen wie Kreissägen, Tiere aus dem Winterschlaf reißen und den Menschen die Wiesen ruinieren. Mit Zäunen kann man sich nicht gegen sie schützen, aber glücklicherweise mit Wäldern. Und dann ist da diese verdammte Schneekanone auf so einer verfluchten Skipiste.
    Die ist zwar Meilen entfernt, aber in klaren Nächten kann man sie sicher bis nach Schenectady hören. Mein Anwalt geht der Sache nach.«
    Kate holte die Teetassen und stellte sie auf den Tisch. »Da ist Zucker, wenn Sie welchen mögen. Die Leute glauben, ich komme hierher, um mit irgendeinem Geist in Verbindung zu treten, meinem 9

    eigenen oder dem eines anderen. Und in gewisser Weise tue ich das auch. Aber ich verbringe eine Unmenge Zeit damit, von der Ausrot-tung des Verbrennungsmotors zu träumen. Von einem System aus Flugzeugen, Eisenbahnen und umfassendem öffentlichem Verkehrs-wesen in den Städten. Wer will, bekommt ein Fahrrad, und die Älteren, die Kranken und die Nostalgiker Pferd und Einspänner. Wie gefällt Ihnen das?«
    »Ich glaube nicht, daß sich das je durchsetzt!«
    »Leider. Aber wer will mir verbieten, davon zu träumen, daß General Motors auf elektrisch betriebene Busse und Straßenbahnen umrüstet? Max, was um alles in der Welt hat Sie zu mir geführt?
    Selbst wenn Sie nicht gewußt haben, wie spartanisch ich hier lebe, so hätten Sie doch wissen müssen, daß Sie mich hier nicht gerade im Oak Room des Plaza vorfinden.«
    »Ich hatte gehofft«, sagte Max, rührte in seinem Tee und schaute in die Ferne, »Sie zu einer Fahrt mit mir überreden zu können.
    Jetzt«, fügte er hinzu. »In Ihrem Wagen«, schloß er endlich, als wollte er alle finsteren Absichten auf einmal auf den Tisch bringen.
    Kate starrte ihren Besucher an. Wären der Universitätspräsident oder auch der Schah von Persien persönlich ihr mit einem derartigen Vorschlag gekommen, sie hätte, nicht weniger besorgt, plötzlich an ihrem eigenen Verstand gezweifelt. Oder war etwa Max, der elegante, beherrschte, brillante Max plötzlich und unerwartet überge-schnappt? Max mußte den besorgten Ausdruck in ihrem Blick bemerkt haben.
    »Eine seltsame Bitte, ich weiß«, sagte er, schob seinen Stuhl zu-rück und schlug die langen, elegant gewandeten Beine übereinander.
    Max war einer von jenen Männern, die eher in Unterwäsche über die Straße gehen würden, als auch nur ein Stückchen nacktes Bein zwischen Socken und Hosen zu enthüllen. Kate – und das war einer der akrobatischen Züge ihrer widersprüchlichen Natur – bewunderte das.
    Sie versuchte edelmütig, nie aus der Art der Socken, die ein Mann trug, auf seinen Charakter zu schließen – das wäre lächerlich –, aber zugleich konnte sie auch nichts dagegen tun, daß ihr Socken auffie-len. Reed, mit ihr in der Sockenfrage durchaus einer Meinung, tröstete sie wegen dieser merkwürdigen Unduldsamkeit. »Ich zum Beispiel«, lautete sein mitleidiger Kommentar, »kann roten Nagellack nicht ausstehen. Man muß tolerant sein sich selbst gegenüber.« Keine Frage, dachte Kate, ich fange an, in Bewußtseinsformen zu denken, wie sie zweitklassige Schriftsteller unter dem Einfluß von Vir-10

    ginia-Woolf-Imitatoren beschreiben.
    »Eine seltsame Bitte, in der Tat«, sagte Kate und sammelte ihre Gedanken. »Wohin wollen Sie denn fliehen?«
    »Nicht fliehen«, sagte Max. »Einen Besuch abstatten. Der Küste von Maine. Dem Haus von Cecily.«
    »Jetzt? Ist sie nicht vor kurzem gestorben? In England?« Egal, wie lang seine Socken sind, sinnierte Kate, seine Gedanken sind auch nicht gerade kurz und knapp.
    Max hatte gefragt, ob er rauchen dürfe, und Kate hatte ja gesagt.
    Er steckte sich auf seine Art seine Zigarette an, auf eine Art, die eigentlich mit dem verstorbenen Noel Coward untergegangen war.
    Plötzlich fühlte Kate sich besser. Alles in allem war Max trotz seiner Vorurteile – und die waren, weiß Gott, ebenso vehement wie reaktionär – der vernünftigste Mann, den sie kannte; zweifellos weil er sich in allem so absolut sicher war. Kate hatte einmal über Max gesagt, sie wünschte, sie wäre sich in einem Punkt so sicher wie er in allen Fragen des Lebens. Ursprünglich stammte
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