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Toedlicher Sumpf

Toedlicher Sumpf

Titel: Toedlicher Sumpf
Autoren: Joy Castro
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suchte sich dafür immer die unmöglichsten Zeiten aus, statt einfach zu warten, bis sie wieder im Hotel waren.
    »Geh mal nachschauen«, sagte er. Sophie verdrehte die Augen und seufzte vernehmlich.
    »Ich gehe«, sagte Amber Waybridge sofort, lächelte und legte kurz eine Hand auf seinen Arm. Dann schob sie ihren Stuhl zurück, stand auf und ging.
    Sophie wusste das richtige Wort für sie. Schmeichlerin . Und es schien zu funktionieren – ihr Vater lächelte, als er Amber Waybridge hinterher sah. Er redete gern darüber, dass ihre Arbeiten etwas ganz Neues, Mutiges seien. Dank seiner Fürsprache hatte sie für den Sommer ein Stipendium als Artist in Residence irgendwo in Vermont bekommen. Sophie konnte es kaum erwarten, dass sie dorthin verschwand.
    Gerade als Eier, Toast und Bacon gebracht wurden, kamCecily wieder zum Tisch getrottet, kletterte auf ihren Stuhl und ließ die Füße mit den kleinen roten Tennisschuhen baumeln.
    »Wo warst du denn?«, fragte Sophie genervt, ohne mit einer Antwort zu rechnen und ohne eine zu bekommen. Die Teller waren mit leuchtenden Orangenschnitzen dekoriert. Lecker. Oh, hatte sie einen Hunger!
    Aber als sie nach der Gabel griff, runzelte ihr Vater die Stirn. »Warte auf Amber.«
    »Wo ist Amber überhaupt?«, fragte Cecily und biss schon in ein Stück Orange.
    Ihr Vater sah sie an. »Sie war doch bei dir.«
    Cecily schüttelte den Kopf und sagte mit vollem Mund: »Nöö.«
    »Sie ist zur Damentoilette gegangen, um dich zu suchen.«
    »Ich hab sie nicht gesehen.«
    Ihr Vater seufzte schwer. »Würdest du bitte mal nachschauen, was mit ihr ist, Soph?«
    Sophie erwiderte das Seufzen und glitt betont langsam von ihrem Stuhl – jede kleine Bewegung ein Protest. Es machte Spaß, mit den Gummisohlen über die Fliesen zu schlurfen.
    Sie bog in einen langen, mit dunklem Holz getäfelten und nur von einem schwachen Wandleuchter erhellten Gang ein. Dunkler Zementboden, zu beiden Seiten verschlossene Türen, auf denen in verblassten Goldbuchstaben PRIVAT und PERSONAL und AUSGANG stand, und Abzweigungen in weitere enge, dunkle Gänge. »Ein richtiges Labyrinth«, hätte ihre Mutter gesagt. Kein Wunder, dass Cecily so lange gebraucht hatte. Ganz am Ende des Ganges fand Sophie schließlich die lackschwarze Tür zu den Damentoiletten und stieß sie auf. »Amber?« Sie bückte sich und spähte unter den Türen der einzelnen Kabinen hindurch, entdeckte aber keine gebräunten Knöchel, keine Riemchensandalen, keinen Zehenring. »Das Essen ist da«, sagte sie und öffnete die Metalltüren eine nach der anderen, doch ihre Stimme hallte von den Wänden wider,die Kabinen waren leer, und sie wusste, dass sie allein war. In dem breiten Schrank unter den Waschbecken stapelten sich nur ein paar Rollen weißes Toilettenpapier.
    Ärgerlich stapfte Sophie zurück durch den dunklen Gang, wobei sie die Fingerspitzen einer Hand an der Holztäfelung entlangzog. Als die Küchentür aufschwang und ein Kellner im Eilschritt herauskam, fiel für einen Moment grelles Licht in den Gang und machte ihn angenehm hell. In diesem Augenblick festlicher Beleuchtung sah Sophie einen gekrümmten Streifen Limettenschale auf dem dunklen Zementboden liegen und erkannte ein paar klebrige Stellen, die dem Wischlappen entgangen waren.
    Und da, gleich neben der Tür, an der AUSGANG stand, lag ein zerrissenes Goldkettchen auf dem Boden. Die winzigen Diamanten funkelten.
    Dann wurde alles laut und hektisch. Ihr Vater rief die Kellnerin, dann den Geschäftsführer, dann stürmte er mit den beiden zusammen den Flur entlang und stieß krachend sämtliche Türen auf, nicht nur die zu den Damentoiletten, sondern auch die zum Herrenklo, zum Lagerraum, zu einem Wandschrank, zur Küche, wo die vielen Köche in ihrer Schnippelei innehielten und ihn, das Messer auf halber Höhe, neugierig anstarrten. Die anderen Gäste standen auf, beobachteten das Geschehen, erzählten, was sie gesehen hatten, wer das Restaurant verlassen hatte: eine blonde Frau, ein Mann mit einer großen Reisetasche, drei laute College-Jugendliche, die reichlich verkatert gewirkt hatten – aber keine hübsche Fünfundzwanzigjährige mit dunklem Haar und knappem schwarzem T-Shirt. Als die Polizei eintraf, stand Papa draußen auf dem Fußweg und schrie herum, und die Leute erzählten alles noch einmal, und Sophie musste ihre Geschichte einem großen Officer erzählen, der nickte und häufig blinzelte. »Bleibt da! Genau an diesem Fleck!«, schrie ihr Vater, also blieben sie
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