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Toedlicher Sumpf

Toedlicher Sumpf

Titel: Toedlicher Sumpf
Autoren: Joy Castro
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Seit ich seine Akte auf den Tisch bekommen und das Täterfoto gesehen hatte, das bleiche, steinerne Gesicht, die so schrecklich vertrauten wässrigen Augen? Wenn ich da meine Chance gewittert habe – wer weiß das schon? Niemand ahnt, dass ich Blake Lanusse durch sein Jagdrevier gefolgt bin. Ich habe die Fotos von meiner Kamera ebenso gelöscht wie von meiner Computerfestplatte; die einzigen Papierabzüge habe ich verbrannt. Und Tante Helene, der einzige Mensch, dem ich mich je anvertraut habe, ist schon lange tot.
    Wenn ich eins gelernt habe, dann, ein Geheimnis zu bewahren.
    Wir Schreiberlinge, Historiker, Journalisten – wir erfassen die Ereignisse mit dem ungenauen Medium Sprache, wir mühen uns ab, einer Wirklichkeit habhaft zu werden, die sich unter unseren Händen verändert wie schlüpfriger Ton auf der Töpferscheibe. Aus Schlamm, der permanent in Bewegung ist, versuchen wir, eine Gestalt zu schaffen. Und dabei schwören wir den Fakten die Treue.
    Aber manchmal biegen wir die Dinge ein wenig hin. Derjenige, der überlebt, ist zugleich der, der die Geschichte erzählt. Und die Geschichte, die überlebt, ist die, die die Leute mögen, weil sie ihnen einen Zauber vermittelt und Hoffnung.
    Meine andere frische Wunde zeige ich den Freundinnen nicht: das Tattoo auf meinem linken Schulterblatt, eine kleine blaue Lilienblüte wie jene, mit denen die Franzosen einst die Frauen gebrandmarkt haben, die sie hierherschickten. Die gebesserten Mädchen.
    Nach Katrina haben Sprayer an jedes flutgeschädigte Haus in New Orleans ein X gesprüht. Sie haben das Datum festgehalten, an dem das Haus entdeckt wurde, und die Zahl der Toten, die darin gefunden wurden. Viele Häuser sind seither renoviert worden, die X übermalt. Manche Hausbesitzer aber haben beim Neustreichen das X und die Zahlen absichtlich stehen lassen, als sichtbares Zeugnis, zum Gedenken an das, was sie überlebt haben. Stolz. Wir sind noch hier, verdammt.
    Vielleicht ist es gar keine schlechte Sache, fürs Leben gezeichnet zu sein, die eigene Geschichte auf der Haut zu tragen.
    Als der Kellner die Rechnung bringt, erfasst eine Bö den kleinen Zettel, wirbelt ihn hoch und weht ihn über die Straße davon. Wir lachen, und die Kellner und die anderen Gäste lachen auch.
    Ich bin kein Kind; ich weiß, dass der Kellner reingehen und sie einfach noch mal ausdrucken wird. Ich weiß, dass die Rechnung immer kommt. Aber diesen kurzen, netten Augenblicklang freuen wir uns einfach daran, wie der weiße Fetzen davonschwirrt in den rosa Abendhimmel.
    Was mir wehgetan hat, war nicht die Stadt. Nicht New Orleans habe ich gehasst. Wir haben Zeit, Korrekturen vorzunehmen , hat meine Mutter gesagt. Das habe ich getan, und jetzt kann ich loslassen.
    Ich kann der Stadt verzeihen, dass ich ein Opfer war, dass ich von Stürmen erfasst und dann allein gelassen worden bin. Ich kann mir selbst verzeihen. Neu denken, neu anfangen, wieder leben – Rethink, Renew, Revive , wie auf den Post-Katrina-T-Shirts steht. Ich kann die Stadt lieben, ich kann mich selbst lieben.
    »Hört mal«, sage ich und nehme meine Freundinnen bei der Hand. »Ich habe euch nie erzählt, wo ich aufgewachsen bin.«

Dank
    Fürs Lesen
    an Sandra Scofield, Bryn Chancellor, Edie Simms, Barbara Brandt, Emily Levine, Monica Rentfrow und Belinda Acosta.
    Dafür, dass ihr das Buch gut gefunden und besser gemacht habt – und für eure Geduld,
    an Mitchell Waters, Karyn Marcus und Edward Allen.
    Für eine großzügige Unterweisung in Kriminalliteratur
    an Katherine Bergstrom von der Buchhandlung A Novel Idea in Lincoln.
    Für eure Ratschläge, euren Zuspruch und eure amistad ,
    an Sandra Cisneros, Lorraine López, Stephanie Elizondo Griest und Amelie María de la Luz Montes.
    Für freundliche Anteilnahme und Unterstützung
    an alle meine Kollegen an der Universität von Nebraska in Lincoln und bei der University of Nebraska Press.
    Dafür, Testpersonen gewesen zu sein ,
    an Kim Coleman, Kate Janulewicz und alle anderen bei Indigo Bridge Books.
    Für die faszinierende, sorgfältig recherchierte und wunderbar geschriebene Abhandlung The World That Made New Orleans: From Spanish Silver to Congo Square, der dieser Roman viel verdankt ,
    an Ned Sublette.
    Für eure Geschichten
    an Dave Stout und Angelle Goudeau MacDougall.
    Für die Fotos von Nolas Stadt
    an Charles Gullung.
    Dafür, die beste Kleine Schwester zu sein, die man sich nur wünschen kann ,
    an Amara Castellanos.
    Für alles, ewig,
    an meine
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