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Toedlicher Sumpf

Toedlicher Sumpf

Titel: Toedlicher Sumpf
Autoren: Joy Castro
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Kinder sexuell missbrauchen, ihrerseits als Kind missbraucht worden sind. War das bei Ihnen auch der Fall?«
    »Ich bin nicht sicher«, sagt er beiläufig. »Vielleicht.« Sein Daumen liegt fest auf dem Apfel, während er die Frucht mit sicherem Griff dreht und die Schale sauber als lange, rot schimmernde Spirale löst und auf den Tisch fallen lässt. Ich sehe vor mir, wie Amber Waybridge das Gesicht abgetrennt wird. Ich sehe, wie ihr geschickt die Haut von den Fingerkuppen geschnitten wird. Ich sehe, Gott steh mir bei, wie ihr die Brustwarze weggeschnitten und als Souvenir eingesteckt wird.
    Meine Kehle ist trocken. »Haben Sie im Rahmen Ihrer Arbeit Kinder geschlagen, Mr. Lanusse?«
    »Als stellvertretender Direktor? Klar. Musste ich. Wer mit der Rute spart, verzieht das Kind. James Dobson, Disziplinierung wagen! , und so weiter. Wenn diese schwarzen Kids hin und wieder mal eins an die Ohren bekämen, statt immer nur sich selbst überlassen zu sein, hätten wir in unserer Stadt nicht diese Art von Kriminalität.« Das rote Lämpchen blinkt beständig.
    »Und haben Sie diese Bestrafungen in einem bestimmten Raum vorgenommen?«
    »In meinem Büro natürlich. Klar.«
    »Dazu haben Sie sicher die Tür geschlossen. Und es war bei diesen Bestrafungen niemand anders zugegen?«
    Sein Blick wird hart. »Ja, das war nun mal mein Job. Okay? Diese Kinder mussten Disziplin lernen. Irgendjemand musste das ja machen.«
    »Und haben solche Bestrafungen manchmal zu sexuellen Übergriffen geführt?«
    »Moment mal. Ich habe etwas unterschrieben. Über die Zeit an der Schule kann ich nicht reden.«
    »Gut, Mr. Lanusse.« Ich zwinge mich zu lächeln. »Daran habe ich nicht mehr gedacht. Entschuldigen Sie.«
    »In Ordnung«, sagt er. In seinen hellen Augen flackert es. Er trinkt seinen Whiskey aus und schenkt sich noch einen ein. »Trinken Sie den noch?«, fragt er und zeigt auf das zweite Glas. »Es wäre unhöflich, es stehen zu lassen.«
    »Später vielleicht.« Ich räuspere mich. »Die meisten Sexualstraftäter begehen eine ganze Reihe von Taten, bevor sie schließlich festgenommen und verurteilt werden. Viele, sehr viele Taten. Im Durchschnitt – einen Moment«, ich schaue in meinen Notizen nach, »im Durchschnitt sind es vor der Inhaftierung mehr als dreihundert Taten, die an über hundert Opfern verübt werden.« Er starrt mich an. »Können Sie dazu etwas sagen?«
    »Nur im Beisein meines Anwalts«, knurrt er.
    »Gut.« Ich schlage die Akte auf. »Ich würde gern noch ein anderes Thema anschneiden.«
    »Klar.« Seine Stimme ist rau, sein Ton feindselig. »Was Sie wollen.«
    »Studien haben gezeigt, dass ein Erfolg der Rehabilitierungsmaßnahmen am sichersten dann zu erkennen ist, wenn der Täter in der Lage ist, Mitleid mit seinen Opfern zu empfinden.«
    »Oh, natürlich«, sagt er. »Ja, ich empfinde Mitleid, das habe ich der Kommission auch gesagt.«
    »Das weiß ich, Mr. Lanusse, aber vielleicht«, jetzt lege ichdie Fotos der drei Opfer vor ihn hin, »können Sie mir etwas über diese Mädchen erzählen?«
    Er nimmt das Blatt zur Hand. »Was wollen Sie wissen?«
    »Erinnern Sie sich an diese Kinder?« Langsam wandert sein Blick über die Bilder. Er schweigt. Ich zeige auf die Fotos. »Mr. Lanusse?«
    »Klar«, sagt er. »Ich erinnere mich.«
    »Erzählen Sie.«
    »Sie waren Schülerinnen. Brave Mädchen. Meistens.«
    »Wissen Sie die Namen noch?«
    Er überlegt kurz, dann richtet er einen Zeigefinger auf das erste Bild. »Das da war Latisha«, sagt er, und sein Finger wandert weiter. »Angel.« Als er auf das dritte Foto zeigt, kaut er auf der Unterlippe und hat sichtlich Mühe, sich zu erinnern. »Jessica«, sagt er schließlich. »Die süße Jessica.«
    Ich bringe kaum mehr hervor als ein Flüstern: »Warum haben Sie diese Mädchen vergewaltigt, Mr. Lanusse?«
    Er schweigt lange. Leert in Ruhe sein Glas. Sein Blick geht ins Leere. »Ich weiß es nicht«, sagt er schließlich und schenkt sich nach. »Ich kann’s nicht sagen, verdammt. Ich wollte es, und ich hab es getan. Sie waren süß. Hübsche Mädchen. Das ist doch nicht so kompliziert.« Jetzt wird sein Blick wieder klar. »Schreiben Sie das in Ihrer Zeitung?«
    Die Luft um uns vibriert.
    »Wenn Ihnen dann wohler ist, kann ich das Gerät ausschalten.«
    Er nickt. »Ja, schalten Sie es aus.« Er starrt auf das Blatt mit den Fotos der Mädchen. »Kann ich das behalten?«
    Mein Finger schwebt über der Pausentaste, während wir einander lange anstarren.
    »Sieht nicht
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