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Toedlicher Sumpf

Toedlicher Sumpf

Titel: Toedlicher Sumpf
Autoren: Joy Castro
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ein.
    »Ich habe ein Lokal entdeckt«, sagt er, »wo wir Merengue tanzen können.« Ich stelle mir unsere Körper vor: warm, dicht beieinander, in Bewegung.
    Erfolg haben ist eine Sache. Aber dass es jemanden gibt, mit dem man die Freude darüber teilen kann, ist etwas ungewohnt. Und wohltuend.
    Einen Anruf habe ich noch zu erledigen. Ich verlasse das Verlagsgebäude. Die Sonne ist grell, die Hitze stechend. Ich setze mich auf eine Betonbank und starre auf die lange Reihe parkenderLieferwagen und die Skyline der Stadt. Nach einer Weile hole ich das Handy hervor und suche im Adressbuch die Nummer.
    Einmal habe ich im Quarter einen Unfall beobachtet. Ein Wagen rammte ein Rad einer jener Kutschen, in denen sich die Touristen gern für fünfzig Dollar herumfahren lassen. Der Zusammenstoß war nicht gefährlich, die Geschwindigkeit gering, aber das Pferd scheute, bäumte sich auf, zerrte mit all seiner Muskelkraft am Zaumzeug und trat gegen das hölzerne Geschirr, bis es splitterte. Dann machte es sich los und trabte keuchend die von Autos verstopfte Straße entlang. Das kaputte Geschirr blieb liegen.
    Als ich mich aus den Desire Projects befreit habe, war mir egal, welche Scherben ich zurückließ.
    Ich hole tief Luft, während Evie Wilsons Telefon klingelt.
    »Ja?«
    »Hallo, Evie. Hier ist Nola Céspedes, von der Zeitung.«
    »He, Nola.« Sie klingt herzlich. »Was gibt’s? Brauchst du noch ein paar Sätze, die du zitieren kannst?«
    »Nein, nein, da habe ich genug. Die Story ist schon gedruckt. Hör mal, ich wollte dich fragen ...«
    »Schon gedruckt? Wann?«
    »Heute. Hör zu, ich ...«
    »Komm ich da vor? Hast du meinen Namen reingeschrieben?«
    »Ja. Du warst gut. Danke, vielen Dank!«
    »Davon muss ich mir eine besorgen.«
    »Soll ich dir eine schicken? Das kann ich machen.«
    »Ja! Ja, das wär nett. Meine Kinder werden’s nicht glauben ...«
    »Hör zu, Evie, hättest du Lust, mal mit mir essen zu gehen? Irgendwann, wenn deine Kinder in der Schule sind?«
    »Essen gehen?«
    Es ist ein unfassbar bourgeoiser Vorschlag. Damen, die essen gehen. Ist so was im Oberen Neunten Bezirk überhaupt denkbar?Aber ich kann mich ja schlecht selbst zu Maccaroni und Eistee zu ihr an den Küchentisch einladen.
    Sie nimmt sich Zeit für ihre Entscheidung, und ich fühle mich mies. Ich strecke die Beine aus, fahre nervös mit einem Finger über eine seidig-glatte Narbe am Schienbein. Hitze steigt aus dem Beton auf, meine Waden glühen.
    Als sie schließlich antwortet, klingt sie sanft, aber bestimmt. »Das ist nicht böse gemeint, Nola, aber um ehrlich zu sein: Ich weiß nicht, ob wir zwei uns so viel zu sagen haben.«
    »Ja, verstehe.« Warum sollte auch eine Mutter, die mit der Armut zu kämpfen hat, mit jemandem wie mir Zeit verbringen wollen? Jemandem, der abgehauen ist, der sich noch nicht einmal an ihren Namen erinnert hat? Ich starre hinauf in den blauen Himmel, an dem ein paar versprengte Wölkchen stehen. Ein vernünftiges Argument habe ich nicht zu bieten, nichts, das logisch wäre. Ich habe nur meine Hoffnung. »Aber Evie – wir könnten es doch mal versuchen?«
    Und Evie Wilson, die keinen Grund hat, jemandem wie mir gegenüber großzügig zu sein, sagt Ja.
    Am Donnerstagabend gleitet mein Pontiac durch die Dämmerung in Richtung Quarter. Auf WWOZ singen die Blind Boys of Alabama davon, dass sie endlich frei sind, und ich summe mit. »I can’t speak for you«, röhrt einer der fünf. »I speak for me.«
    Sturmwolken ziehen herauf, als ich den Wagen auf der Chartres Street abstelle und das »K-Paul’s« betrete. Fabi und Calinda sitzen schon an einem Tisch oben auf dem Balkon mit seiner schmiedeeisernen Brüstung. Ein Exemplar der Times-Picayune vom Dienstag steht, Titelseite nach vorn, aufrecht gegen eine Flasche Schampus gelehnt. Ich fahre mit einem Finger an der buckligen gelben Wand entlang; plötzlich bin ich verlegen. Die beiden stehen auf, um mich zu umarmen, und ich drücke Fabi einen Strauß rosa Rosen in die Hand, ihre Lieblingsfarbe.
    »Ich habe ein Problem mit Vertrauen. Daran will ich arbeiten«, sage ich und küsse sie auf die Wange.
    »Ist gut jetzt, hermana «, erwidert sie und küsst mich ihrerseits. »Alles ist gut.«
    Die Chartres Street erstreckt sich eben und kerzengerade in beide Richtungen, so dass wir alle drei einen schönen Blick auf die alten Häuser haben – achtzehntes und neunzehntes Jahrhundert –, auf verwinkelte Dächer und kleine Gaubenfenster, wie man sie von Fotos aus dem alten
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