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Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang
Autoren: Paul Grote
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Altenpfleger, die mangelnde Fürsorge in ihrer Kindheit durch übermäßigen Einsatz für andere im Alter wettzumachen suchten? War er einfach nur freundlich, oder hatte er bemerkt, dass Georg ausgebrannt war und Hilfe brauchte? Was hatte Georg ihm über sich erzählt, was von seiner persönlichen Lage, seiner verfahrenen Lebenssituation berichtet? Er erinnerte sich nicht, er wusste gar nichts mehr. Sollte er ihn danach fragen? Das würde dumm aussehen.
    Schließlich sah Sauter sich doch bemüßigt, noch eine Frage anzuschließen, mehr, um nicht desinteressiert zu wirken. »Wie ist Albers umgekommen? Ein Autounfall? Was steht da?« Er starrte dabei angestrengt auf seinen Planer.
    Georg Hellberger zog die Zeitung heran und überflog den Artikel. »Er war seit vorgestern vermisst, seine Frau, so steht es hier, habe gestern eine Vermisstenanzeige aufgegeben, nachdem man sein Auto auf dem Parkplatz am Ufer gefunden habe. Er hatte am Abend zuvor an einer Gemeinderatssitzung teilgenommen. Die Polizei hat keinerlei Hinweise auf ein Verbrechen, Fremdeinwirken wird ausgeschlossen, nach ersten Erkenntnissen ist er ertrunken.«
    »Er trank ziemlich viel, der Gute, zwar selten, aber wenn, dann richtig«, sagte Sauter nachdenklich. »War das vorgestern,in der Nacht mit diesem entsetzlichen Nebel? Ich bin nicht mehr aus dem Haus gegangen, man konnte ja nicht einmal mehr die andere Straßenseite sehen. Es treten immer häufiger unverständliche Wetterphänomene auf. Da kann es schon mal passieren, dass … Wir hatten hier schon im Sommer Hagel, in einem Ausmaß, wie ich es nie zuvor erlebt habe, Autos, Dächer, Weinstöcke, Obstbäume, alles war zerschlagen, achthundertfünfzig Gramm haben die faustgroßen Hagelkörner gewogen. Aber  – ich schweife ab, jemand wie Albers kennt sich aus, der geht nicht zu nah ans Wasser. Er hat sein ganzes Leben an der Mosel verbracht, wie ich auch. Ja, so schnell kann’s gehen. Zack, und man ist weg. So …«
    Sauter erhob sich und steckte den Planer in die Tasche des Sakkos, das über der Stuhllehne hing.
    »… ich bin jetzt auch gleich weg. Sie wissen Bescheid, Herr Hellberger. Fühlen Sie sich wie zu Hause. Schauen Sie sich um. Die nötigen Schlüssel haben Sie, in puncto Wein wird Kellermeister Bischof Sie einweisen, ich habe ihn vorgewarnt. Wenn Sie Fragen haben, dann fragen Sie, ich habe Anweisung gegeben, Ihnen in alles Einblick zu gewähren. Arbeiten Sie mit, fassen Sie mit an, begleiten Sie unseren Azubi Klaus in den Weinberg, dabei lernen Sie am schnellsten. Dass Sie meine Bibliothek nutzen sollten, brauche ich jemandem wie Ihnen nicht zu sagen. Fühlen Sie sich als Unternehmensberater. Machen Sie eine Finanzanalyse, sagen Sie mir, wenn ich wiederkomme, was man besser machen kann, wo Einsparungen möglich sind, wie ich Arbeitsabläufe vereinfachen kann, alles, was Ihnen einfällt …«
    Mit diesen Worten verließ er das Esszimmer, ging nach unten ins Büro, kam mit zwei Aktenordnern unter dem Arm zurück und blieb in der Tür stehen. »Ach, noch etwas: Meine Bürokraft kommt in der nächsten halben Stunde, sie bringt auch unsere Haushälterin mit, sie ist bis mittags hier. Sie sagt Ihnen, wo alles ist, wo Sie die Weine finden, machen Sie eineStrichliste, und wenn Sie wollen, essen Sie mit den Mitarbeitern zusammen, Wünsche sind erlaubt.«
    Georg Hellberger ging mit zum Wagen, um seinen Gastgeber zu verabschieden, der, kaum dass sein Gast eingetroffen war, sich schon wieder aus dem Staub machte. Der Winzer stellte seine Aktentasche hinter den Rücksitz des Mercedes, hängte das Jackett auf einen Bügel und ließ sich hinters Steuer fallen.
    »Meine Mobilnummer haben Sie, aber rufen Sie mich nur an, wenn das Haus brennt oder der neue Jahrgang ausverkauft ist, was ich nicht glaube. Aber schön wär’s. Machen Sie’s gut, lösen Sie Ihre Probleme, setzen Sie sich an den Fluss, der Blick aufs Wasser entspannt ungemein.«
    Sauter schlug mit einem Lächeln die Fahrertür zu und streckte die Hand zum Gruß aus dem offenen Fenster, dann gab er Gas.
    Georg Hellberger starrte dem Wagen nach, als der längst zwischen den Fachwerkhäusern verschwunden war und die Moselbrücke überquert hatte. Georg starrte immer noch in die Lücke zwischen den beiden Häusern und sah eigentlich nichts. Erst als ein Passant vorbeiging und ihm einen guten Morgen wünschte, löste sich die Starre, und verwirrt erwiderte er den Gruß. Aber die Starre wich nur einem Gefühl von Leere, einem unendlich weiten Raum,
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