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Tödlicher Staub

Tödlicher Staub

Titel: Tödlicher Staub
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zweihunderttausend Hiroshima-Bomben! Können Sie sich das vorstellen, meine Herren? Aber das sind ›nur‹ Sprengköpfe. Wie viele Tonnen Plutonium werden in den unterirdischen Bunkern verwahrt? Da schwanken die Schätzungen. Kein Atomland wird sein größtes Geheimnis preisgeben … trotz aller Abrüstungsverträge. So schätzen Experten die weltweiten Plutoniumvorräte auf etwa tausendzweihundert Tonnen und rechnen mit tausendsiebenhundert im Jahre 2000. Aber das ist zu niedrig geschätzt. Wenn man bedenkt, daß ein Tausend-Megawatt-Leichtwasserreaktor jährlich zweihundertfünfzehn Kilogramm Plutonium abstößt, ist die Menge von tausendsiebenhundert Tonnen weltweit unrealistisch. Ich halte mich da lieber an einen Bericht der russischen Militärzeitung ›Krasnaja Swesda‹, in dem stand, daß der Bestand an hochangereichertem Plutonium – also waffenfähig – zur Zeit rund tausend Tonnen beträgt! Nur in Rußland! Wenn die Abrüstung weitergeht, werden diese Bestände, wie der Atomwaffen-Chefkonstrukteur Stanislaw Woronin ausgerechnet hat, um sechshundert Tonnen verringert. Es bleiben dann immer noch vierhundert Tonnen übrig. Für eine Plutoniumbombe aber braucht man nur vier bis fünf Kilogramm!« Wallner räusperte sich. Er wurde langsam heiser.
    Es ist unmöglich, sagte er sich, das gesamte vorliegende Material, alle Ermittlungen, Geheimberichte, Enttarnungen, Verhaftungen, Händlertricks und Querverbindungen vorzutragen. Das kann man nur lesen. Beschränken wir uns also jetzt nur noch auf das Wesentliche. Vieles muß ungesagt bleiben, wie zum Beispiel der von der österreichischen Staatspolizei in Zusammenarbeit mit uns, dem BKA, als bisherige absolute Geheimsache erklärte Bericht, der den Titel trägt: ›Nuklearkriminalität‹ und im Untertitel lautet: ›Illegaler Handel mit radioaktiven Materialien oder sonstigen gefährlichen Substanzen – Lagebericht Österreich‹. Ein brisantes Papier – allein in Österreich gab es von 1991 bis 1994 einunddreißig schwere Fälle von Handel mit Uran und Plutonium und zweihundertzweiunddreißig Vergehen wegen sonstiger gefährlicher Materialien. Dabei fungierte Österreich als reines Transitland, wörtlich: »Ein Absatzmarkt in Österreich selbst besteht nach heutigem Wissensstand nicht.«
    Wallner zog die letzten Papiere aus der Akte, die er für erwähnenswert hielt, und holte damit gleichzeitig zum letzten, erschreckenden und entsetzlichen Schlag aus.
    »Wir haben jetzt immer nur von Plutonium 239 und Uran 235 gehört, von Lithium 6 und der Bombenherstellung. Meine Herren, Sie werden erstaunt sein, wenn ich Ihnen sage: Die Atombombe, ob Plutonium, Uran oder Wasserstoff, ist gar nicht das aktuelle Problem. Die große Gefahr für die Menschheit liegt nicht in einem Atomknall!«
    Wieder unterbrach ein Murmeln Wallners Vortrag. Nicht die Atombombe? Was denn sonst? Es geht doch bei Plutonium nur um die Herstellung dieser Vernichtungswaffe. Wer die Atombombe hat, spielt im Weltkonzert die besten Instrumente. Was gibt es denn noch?
    »Ich höre Ihr Erstaunen, meine Herren«, sagte Wallner, damit hatte er gerechnet. »Ich komme jetzt zum letzten Kapitel meines Berichtes: Nicht nur die bekannten Nuklearstoffe kreisen durch die Welt, sondern die Zukunft wird das Geschäft mit strahlenden, das heißt radioaktiven Isotopen sein: Osmium 186, Kobalt 60, Strontium 90, Cäsium 137 und Iridium 192. Bevorzugt wird man mit Tritium handeln. Tritium ist ein radioaktives Gas, das durch eine Dauerbestrahlung von Lithium im Reaktor gewonnen wird. Es wird ›erbrütet‹ und ist für die Herstellung einer Wasserstoffbombe vom Typ Nagasaki unentbehrlich. Die Wirkung dieser neuen Bombengeneration ist verheerend. Dagegen war die Bombe von Nagasaki ein Knallkörper. Tritium hat nur einen Fehler: Während die Halbwertzeit von Plutonium vierundzwanzigtausend Jahre beträgt, ist die Halbwertzeit von Tritium nur knapp zwölfeinhalb Jahre. Das heißt, das Gas verflüchtigt sich pro Jahr um fünfeinhalb Prozent. Es muß also genau kontrolliert werden, wieviel von diesem Alkalimetall sich verflüchtigt hat … die Bomben müssen ständig nachgefüllt werden, sonst verringert sich ihre Sprengkraft, die mit keiner anderen Bombe vergleichbar ist, aber auch das ist nicht die schreckliche Vision, die eine ganze Menschheit bedroht.
    Es gibt einen lautlosen, unsichtbaren, geruchs- und geschmacklosen Tod: Plutonium 239, aber nicht als Bombenstoff, sondern als Staub. Mehlfeiner Staub … das ist die
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