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Tödlicher Staub

Tödlicher Staub

Titel: Tödlicher Staub
Autoren: Heinz G. Konsalik
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– Victorow bewohnte mit seiner Frau und seiner Tochter Natalja eine schmale Dreizimmerwohnung in einem Wohnblock – trank Petr Nikolajewitsch zunächst hundertfünfzig Gramm Wodka pur und nicht wie üblich mit Limonade vermischt, was ihm besonders gut schmeckte, legte sich dann auf das mit rotem Plüsch bezogene Sofa, auf dem schon sein Vater geschnarcht hatte, schlug die Beine übereinander und sagte mit etwas schwerer Zunge:
    »Ihr Lieben, hier seht ihr einen Menschen, den man in den Arsch getreten hat.«
    Sonja, Victorows Frau, sah hinüber zu ihrer Tochter Natalja und nickte bedächtig. »Dein Vater ist besoffen«, sagte sie. »Keiner tritt ihm in den Hintern, ohne nachher im Krankenhaus Nummer I aufzuwachen.«
    »Ich hätte ihn erwürgen können!« Victorow drehte sich auf die Seite und mußte dabei rülpsen. »Ich bin entlassen! Gefeuert. Hinausgeschmissen. Wie eine lästige Fliege weggejagt.«
    »O Gott, ist er besoffen!« Sonja winkte begütigend zu Natalja hinüber. Diese war entsetzt aufgesprungen. Mit ihren fünfzehn Jahren war sie bereits vollentwickelt … sie war nicht nur die Hübscheste der ganzen Mädchenoberschule Stanislawski; sie nahm sehr wohl die begehrlichen Blicke der Lehrer auf ihren Busen und ihre Schenkel wahr. Ganz schlimm war der Hausmeister Kyrill Stepanowitsch, der sogar einmal zu ihr gesagt hatte: »Nataljascha, ein ganzes Pfund bestes Rindfleisch bekommst du von mir, wenn du deinen Rock ganz hochhebst. Aber ohne Höschen – das ist Bedingung.« Da hatte sie laut gelacht, hatte sich umgedreht, ihm den Hintern hingestreckt und war dann schnell davongelaufen. Es wurde zu einem geheimen Spaß für sie: die Männer und die Jungen nebenan von der Oberschule Puschkin so zu reizen, daß sie Glubschaugen bekamen … dann lief sie mit hellem Lachen davon. Ein gemeines, kleines, wunderhübsches Luder, das in der Schule zu Wetten animierte: Wann wird sie vergewaltigt? Wer legt sich als erster auf sie?
    Es war Jurij Wladimirowitsch Krepkin, ein flotter Student, aber das wußte keiner. Alle glaubten noch an ihre Jungfräulichkeit, am hartnäckigsten ihre Eltern. Und mit Jurij kam Natalja nach dieser einen Abendstunde im Park auch nicht mehr zusammen. Sie war enttäuscht … sie hatte nichts, aber auch gar nichts dabei empfunden, und sein Aufstöhnen am Ende hatte sie sogar angeekelt. So kam es, daß Natalja sich wieder in die Unberührtheit zurückzog.
    »Du bist wirklich arbeitslos, Väterchen?« rief sie jetzt.
    »So ist es, Töchterchen. Ich kann Daumen drehen und in die Ecke spucken. Wer nimmt jetzt, wo alles modernisiert wird, einen vierundvierzigjährigen Heizer? Eine andere Arbeit? Nehme ich sofort an … aber wo gibt es Arbeit? Ihr Lieben, ein gebrochener Mann bin ich.«
    Jetzt begriff auch Sonja den Ernst der Lage und die düstere Zukunft. Sie schlug die Hände über dem Kopf zusammen und brach in ein solches Jammern aus, wie es bei einem Begräbnis die Klageweiber hinter dem offenen Sarg anstimmen. »Was nun?« schrie sie. »Was nun? Verhungern werden wir, verschrumpeln wie ein alter Apfel. Müll werden wir sein, den sie einfach wegkehren. Betteln müssen wir, in den Müllkippen nach Nahrung suchen, und jeder darf uns wegjagen wie räudige Hunde! O Gott, o Gott … wir haben doch nicht gesündigt, daß er uns so hart bestraft.«
    Victorow hörte das Wort Gott, drehte sich auf die andere Seite, furzte vernehmlich, sagte: »Das ist Gott wert!« und schlief dann schnell ein.
    An diesem Tag fällte Natalja eine lebensbestimmende Entscheidung.
    Während Väterchen Petr in Moskau herumstrolchte, bei unzähligen Firmen vorsprach und sich als Arbeiter anbot, natürlich vergebens, dabei eine Gruppe anderer Unzufriedener und Arbeitsloser fand, die Gorbatschow verdammten und von einer neuen Revolution faselten, und Mutter Sonja bei den großen Betrieben um eine Stelle als Putzfrau bettelte, was auch umsonst war, denn die zum Putzen bereits angestellten Frauen jagten sie mit Besenstielen aus den Büros, während dieses Kampfes um das nackte Überleben entdeckte Natalja das so oft zitierte Licht am Ende des Tunnels.
    Sofort nach dem Schulunterricht fuhr sie hinaus zur Garnison des Ersten Garderegimentes. Mit wiegendem Gang und schwingenden Hüften ging sie die Straßen entlang, an denen die Offizierswohnungen lagen. Ein einfacher Soldat sollte nicht an ihren Körper herankommen … wenn es schon sein mußte, wollte sie diese Gunst einem höheren Offizier zukommen lassen, selbst ein junger Leutnant
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