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Tödlicher Staub

Tödlicher Staub

Titel: Tödlicher Staub
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ausprobiert, wie einfach es ist, an Plutonium heranzukommen. Ein Ermittler gab sich als Aufkäufer für einen arabischen Staat aus und verhandelte, nach einigen Umwegen, die nicht genannt werden können, mit einem Oberstleutnant a.D. der auf die Frage, ob er waffenfähiges Plutonium beschaffen könne, die lapidare Antwort gab: ›Wieviel wollen Sie? Wir besorgen Ihnen Plutonium in jeder Menge!‹ Oder – ein anderer Fall, geschehen in Tomsk-7 –: Eine Gruppe Arbeiter im Kernkraftwerk wetten miteinander, ob es möglich wäre, zwei Kilo Plutonium aus der gutbewachten Sperrzone herauszuschmuggeln. Einer der Arbeiter bindet sich ein Stück Eisen von sechs Kilo Gewicht – es ist ja nur ein Test – um die Brust, simuliert einen Herzanfall, fällt um und wird sofort von Werkssanitätern in einen Krankenwagen geladen und ins Hospital gefahren. Keiner kontrolliert den Kranken, er passiert alle Sperren … es wäre also ein leichtes gewesen, zwei Kilogramm Plutonium hinauszubringen. So einfach ist das! Und dieser Trick ist nur ein Weg, es gibt Hunderte von Möglichkeiten. Die große Frage aber ist: Wieso bemerkt man das Fehlen von Plutonium nicht? Dies liegt am Kontrollsystem! In den Kernkraftwerken werden lediglich die Listen über freigeworfenes Nuklearmaterial durchgesehen und abgehakt … eine Überprüfung, ob die Menge wirklich vorhanden ist und in den unterirdischen Bunkern eingelagert ist, findet nicht statt. Auf dem Weg vom Reaktor zum Bunker kann also leicht etwas ›verlorengehen‹. Eine andere Art der Beschaffung hat sich ein Beamter der russischen Atomaufsichtsbehörde ausgedacht. Sein Name wird verschwiegen. Er zeigte, wie man sogar größere Mengen waffenfähiges Plutonium abzweigen kann: In einem Schnellen Brüter zur Plutoniumerzeugung kann es vorkommen, daß bei hundert Brennstoffwechseln ein Kilo Plutonium mehr gewonnen wird, als es die Norm vorschreibt. In die Berichtsbücher aber schreibt man nur die offiziellen Werte ein, und der Überschuß verschwindet. Er taucht dann auf dem schwarzen Markt auf und wird von der Atommafia angeboten. Werkskontrollen sind kein Hindernis … dieser Beamte konnte Atomfabriken nennen, wo man das Material einfach über die Mauer werfen kann. Oder noch ein Fall: Ein Chemiker des Atomforschungsinstitutes Podoisk bei Moskau stellte beim Wiegen eine kleine Ungenauigkeit an der Waage ein. Er konnte dadurch winzige Mengen Uran mit fünfundvierzig Prozent Anreicherung abzweigen. Als der Geheimdienst ihn verhaftete, fanden sie bei ihm in der Wohnung eineinhalb Kilo Uran … es lag auf dem Balkon!«
    »Statt Blümchen Atömchen«, sagte einer der Anwesenden. Einige lachten, aber es befreite nicht von dem Unbehagen, das alle erfaßt hatte. Die Unterbrechung nahm Wallner zum Anlaß, sein Glas Mineralwasser auszutrinken. Die Langeweile, die er zu Beginn des Vortrages angekündigt hatte, hatte sich nicht eingestellt. Der Bericht des leitenden Kriminaldirektors war eine Bombe für sich.
    Wallner blickte auf seine Mitarbeiter. »Müde?« fragte er. »Sollen wir eine Pause einlegen?«
    »Nein. Berichten Sie weiter, Herr Wallner.« Der Präsident des BKA nickte Wallner aufmunternd zu.
    »In den russischen Atomarsenalen gibt es eine Menge Löcher. Die Kontrollorgane sind nicht in der Lage, aus welchem Grund auch immer, eine genaue Inventarliste über gelagertes Nuklearmaterial anzufertigen. Der FSB mutmaßt, daß Hunderte von Tonnen spaltbaren Atommaterials einfach verschwunden sind. Soviel kann man nicht stehlen und verstecken, aber keiner weiß, wo es geblieben ist. Um diesen Mißständen abzuhelfen, haben die USA ein Angebot an Rußland, Weißrußland, die Ukraine und Kasachstan gemacht, also den Ländern, in denen am meisten Nuklearmaterial lagert: Wir holen es ab und entsorgen es. Das Angebot wurde angenommen, und die Geheimoperation ›Saphir‹ lief an. Aus einem Bunkerlager bei Kamenogorsk in Kasachstan transportierte die US-Air-Force im November 1994 sechshundert Kilogramm Uran 235 nach Amerika. Das Uran hätte für vierundzwanzig Atombomben vom Typ Hiroshima gereicht. Wollen Sie noch einige Zahlen hören?« Wallner nahm eine Zusammenstellung aus der Akte. »Trotz der angelaufenen großen Vernichtung von nuklearen Waffen verfügen Rußland und Amerika heute noch über siebenundvierzigtausend Atomsprengköpfe. Wenn die Abrüstung weiterhin so bleibt wie bisher, werden im Jahre 2003 immer noch achtzehntausend Sprengköpfe übrig sein. Das sind – nach der Sprengkraft gerechnet –
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