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Tödlicher Kick

Tödlicher Kick

Titel: Tödlicher Kick
Autoren: Lucie Flebbe
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Sitznachbar aus dem Stadion drängte sich in meine Erinnerung. Besser gesagt, sein schwabbeliger, nackter Bauch. Vor den Staschek seinen Polizeiausweis gehalten hatte, bevor der Dicke sein Fantrikot abfackeln konnte.
    »Hat es Ärger im Stadion gegeben?«, hakte ich nach. Ich versuchte, meine plötzliche Nervosität nicht durch meine Stimme zu verraten.
    »Lenny geht’s gut«, murrte Danner, ohne den Kopf zu heben.
    »Warum fahren wir dann ins Krankenhaus?«, bohrte ich weiter.
    Doch Danner schwieg.
    Wütend drehte ich den Zündschlüssel des Oldtimers um. Zum ersten Mal. Bisher war immer Danner gefahren.
    Der Motor orgelte. Ich brauchte zwei, drei Versuche, bevor er klappernd ansprang. Ganz gesund klang der Dino definitiv nicht. Doch die Reaktionsfähigkeit der alten Karre überraschte mich: Der Wagen hopste mit einem Satz vom Bordstein herunter.
    »Ey, sachte!«, fuhr Danner mich an.
    »Ich dachte schon, du hättest dich ins Koma gesoffen«, giftete ich.
    Danners Bierfahne kondensierte zusammen mit dem durchs Dach tropfenden Regen an der Windschutzscheibe und nahm mir jede Sicht. Weil Danner wieder nicht konterte, warf ich ihm einen Seitenblick zu.
    Er sah aus, als hätte ich ihm eine gescheuert.
    Verdammt, es musste etwas wirklich Schlimmes passiert sein.
    Ich drückte ein paar Knöpfe am Armaturenbrett. Der Scheibenwischer setzte sich quietschend in Bewegung. Die Lüftung klapperte. Doch an der beschlagenen Frontscheibe änderte das nichts. Mir blieb nichts anderes übrig, als die Sicht alle paar Minuten manuell wiederherzustellen. Mithilfe eines Lappens.
    Mein Glück war, dass offenbar ganz Bochum den versemmelten Aufstieg betrauerte. Die Innenstadt war gespenstisch leer, nur hin und wieder kamen uns die blendenden Scheinwerfer eines anderen Wagens entgegen.
    Grellweiße Blitze rissen den tiefschwarzen Himmel in Stücke, als wir auf dem Parkplatz des Hospitals im Bochumer Stadtteil Linden aus dem Auto stiegen.
    Noch während ich mit den altertümlichen Türschlössern kämpfte, drang der Regen durch meine alte Cordjacke und den Jeansstoff meiner Hose. Wäre ich zu Fuß gegangen, hätte ich auch nicht viel nasser werden können.
    Als ich mich Sekunden später umdrehte, war Danner verschwunden.
    Häh? Hatte mich der Mistkerl stehen lassen?
    Verflucht, der wollte mir nicht nur verschweigen, was passiert war, er wollte mich hier auf dem Parkplatz abhängen und allein ins Krankenhaus hineingehen! Ich hatte ja nicht einmal eine Ahnung, nach welchem Patienten ich am Empfang fragen sollte.
    Ich rannte los. Durch den Regen über den Parkplatz, zwischen den zur Seite springenden Glastüren des hell erleuchteten Eingangsbereichs hindurch.
    Danner stand einigermaßen ratlos vor den Hinweistafeln in der Empfangshalle, die den Weg zu den verschiedenen Stationen des riesigen Klinikkomplexes erklären sollten. Das funktionierte zu meinem Glück nicht auf Anhieb. Nicht nur die verzwickte Nummerierung der Stationen, sondern auch die lateinischen Namen der medizinischen Fachbereiche trugen zur Verwirrung der Besucher bei.
    »Sind wir im Kindergarten und spielen Hase-und-Jäger, oder was?«, fauchte ich Danner an, als ich ihn eingeholt hatte. »Als Hase bist du jedenfalls eine Niete.«
    Ich schüttelte den Regen aus meinen Haaren, zog meine Jacke aus und band sie mir um die Hüften.
    Danner ließ mich gleich noch mal wortlos stehen und trat an den lang gestreckten Empfangstresen vor eine schlecht gelaunt aussehende Dame, deren Kurzhaarfrisur in Signalrot vermutlich bereits vor ihrer Giftigkeit warnen sollte. Der Fliegenpilzeffekt, sozusagen.
    Schnell stellte ich mich neben Danner. Ein zweites Mal hängte der mich nicht ab!
    »Intensivstation, Stroke Unit? «, fragte Danner.
    Intensivstation?
    Scheiße.
    Wenn Staschek nichts passiert war, wem dann?
    Groß war die Auswahl nicht.
    Kalte Angst kroch mir in den Nacken.
    Doch nicht Molle?!
    Das ging gar nicht.
    Molle mustert mich über den Rand seiner halbmondförmigen Brille hinweg: »Haste schon mal gekellnert?« Mir fallen die unzähligen Lachfältchen in seinen Augenwinkeln auf.
    Molle durfte nichts passieren! Blitzartig überlegte ich, ob ich Molles Stimme vorhin beim Heimkommen in der Kneipe gehört hatte. Warum war ich nicht reingegangen? Warum hatte ich nicht kurz über das blöde Ergebnis des Spiels geschnackt und gefragt, ob er meine Hilfe in der Kneipe brauchte?
    Hatte Danner mich aus diesem Grund nicht mit ins Krankenhaus nehmen wollen? Weil er wusste, dass ich Amok laufen
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