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Tödlicher Kick

Tödlicher Kick

Titel: Tödlicher Kick
Autoren: Lucie Flebbe
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Teppich, der direkt neben der Wohnungstür besonders abgelatscht und fleckig war.
    Unsere Bude war Wohnung und Detektei in einem. Vom Treppenhaus trat man sofort ins Wohnzimmer, das uns gleichzeitig als Büro diente. Neben einem durchgesessenen, grauen Sofa, dem dazugehörigen Sessel, einem Couchtisch mit dunkler Marmorplatte und einem übertrieben großen Flachbildfernseher gab es einen unordentlichen Schreibtisch unter dem Fenster und ein hoffnungslos mit Akten überfülltes Regal, das die ganze Wandfläche einnahm.
    »Immer noch zweite Liga.« Danner ließ sich rückwärts aufs Sofa kippen. Er legte die Unterarme übers Gesicht. Vergeblich bemühte er sich, die Stiefel von den Füßen zu streifen, ohne die Hände zu Hilfe zu nehmen. Das Stadionbier würde ihm morgen vermutlich Kopfschmerzen bereiten.
    »Noch ein Jahr unten«, stöhnte er.
    Das klang, als müsste er selbst das nächste Jahr obdachlos in der Gosse verbringen. Ich hatte Mitleid und packte den Absatz seines linken Schuhs. Mit einem Ruck zog ich ihn von seinem Fuß.
    »Tief im Westen« , nölte in dem Moment plötzlich Herbert Grönemeyer los.
    »Ach, scheiß drauf«, murrte Danner.
    »Oh, Glück auf!«, appellierte Grönemeyer rührselig weiter an Danners Lokalpatriotismus.
    Der verdrehte die Augen: »Von Glück kann man heute wohl nicht reden.«
    »Dein Handy.« Ich schubste seine Füße vom Couchtisch. »Hör auf zu heulen und such es endlich.«
    »Richtig. Ich muss den Klingelton ändern.« Danner fummelte sein Smartphone aus der Jackentasche und hielt es ans Ohr, während er versuchte, den zweiten Stiefel von seinem Fuß zu schütteln.
    »Wer stört?«, begrüßte Danner den unbekannten Anrufer genervt.
    Samstagnacht konnte es sich eigentlich sowieso nur um Staschek handeln, der unten in Molles Kneipe weitertrauern wollte.
    Danner hörte auf, seinen Stiefel zu schütteln. Jetzt setzte er sich auf: »Ja?«
    Seine Augenbrauen rückten aufeinander zu. Er fuhr sich mit der Hand über den Dreitagebart. Plötzlich kam er mir eher verwirrt als betrunken vor.
    »Ja …?«
    Ja? Wieso ja? Normalerweise benutzte er ausgerechnet dieses Wort nicht inflationär. Und schon gar nicht ohne den Zusatz »aber«. Und warum verlor sein Gesicht zusehends Farbe?
    »Stroke Unit?« , murmelte er. »Bin unterwegs.«
    ›Unterwegs‹ war allerdings leichter gesagt als getan.
    Schwarze Wolkenberge wälzten sich über den Nachthimmel, der Regen prasselte auf das Kopfsteinpflaster der Annastraße. Die dicken Tropfen klatschten mir in die Haare.
    Und Danner hatte gute zwei Liter Bier intus.
    Ich hingegen hatte den mit Fiege gefüllten Plastikbecher ja eher zur Komplettierung des richtigen Fußballfeelings in der Hand gehalten. Deshalb sprang ich jetzt hinter das mit Leder ummantelte Lenkrad unseres neuen Oldtimers und schlug die Tür hinter mir zu, während der Regen aufs Faltdach trommelte.
    Nun ja, ›neu‹ war bei einem Wagen Baujahr 1977 natürlich relativ. In unserem Besitz jedenfalls befand sich der Blechdinosaurier erst knapp zwei Wochen. Nachdem unser altes Auto – bekannt unter dem sich selbst erklärenden Namen ›Schrottschüssel‹ – endgültig dem Rost erlegen war, hatte Danner den nachtschwarzen Zweisitzer, einen Triumph Spitfire Roadster, in einem ungewöhnlichen Anfall von Gefühlsduselei erworben. Sein Vater hatte irgendwann mal das gleiche Modell besessen, hatte er mir erzählt. Und dann hat er die Kiste gegen die Brücke an der Universitätsstraße gesemmelt.
    Kaufargument war also eine Kindheitserinnerung und keine logische oder sogar ökonomische Betrachtung des Preis-Leistungs-Verhältnisses gewesen.
    Was einiges erklärte.
    Unter anderem zum Beispiel das Regenwasser, das durch einen Riss im vierzig Jahre alten Stoffdach lief. Der altertümliche Wagen taugte dazu, in einer Garage von einem Oldtimerliebhaber mit viel Taschengeld poliert zu werden. Zum Fahren, noch dazu bei schlechtem Wetter, war das Ding definitiv ungeeignet.
    Danner rumste die Beifahrertür dreimal kräftig zu, bevor sie endlich geschlossen blieb. Dann stützte er stöhnend sein Gesicht in die Hände.
    »Wo geht es hin?«, erkundigte ich mich, weil er sich seit dem mysteriösen Telefonat in hartnäckiges Schweigen hüllte.
    »Uniklinik«, murmelte er. »Das Hospital in Linden.«
    Uniklinik? Plötzlich fühlte sich das Lederlenkrad unter meinen Fingern feucht an. »Was ist passiert?«
    Schon wieder gab Danner nur ein Brummen von sich.
    Was wollte er mir nicht sagen?
    Mein dicker
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