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Tödlicher Irrtum

Tödlicher Irrtum

Titel: Tödlicher Irrtum
Autoren: Agatha Christie
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vorzog. Mary Durrant wirkte ebenso gepflegt und ordentlich wie ihr Haus. Schmutz und Unordnung waren ihr verhasst.
    Der Mann im Rollstuhl beobachtete sie spöttisch, während sie die Blumenblätter auflas.
    »Bei dir muss immer alles seine Ordnung haben«, bemerkte er spitz, aber Mary Durrant ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
    »Dir würde es auch nicht gefallen, in einem unordentlichen Haus zu leben, Philip«, erwiderte sie freundlich.
    »Wenigstens habe ich keine Gelegenheit, es in Unordnung zu bringen«, stellte ihr Mann mit einer leichten Spur von Bitterkeit in der Stimme fest.
    Philip Durrant war kurz nach ihrer Hochzeit an spinaler Kinderlähmung erkrankt, und für Mary war der geliebte Mann nun auch zu ihrem Kind geworden. Philip fühlte sich oft von ihrer übergroßen Liebe und Fürsorge erdrückt; seine Frau begriff nicht, dass er darunter litt, so völlig abhängig von ihr zu sein.
    »Ich muss schon sagen – die Sache ist phantastisch. Ich bewundere deine Ruhe«, sagte Philip.
    »Wahrscheinlich habe ich es noch gar nicht ganz begriffen; zuerst dachte ich, dass Vater einen Scherz machen wollte. Wenn Hester es mir erzählt hätte, würde ich annehmen, dass sie sich die ganze Geschichte ausgedacht hat – du kennst sie ja.«
    Philip Durrants Ausdruck wurde etwas weicher, als er sagte: »Ein ungestümes, leidenschaftliches Geschöpf… wenn man, wie Hester, Katastrophen erwartet, müssen sie sich einfach ereignen.«
    Mary ging nicht auf diese Feststellung ein; der Charakter anderer interessierte sie nicht.
    »Ob es wirklich stimmt? Vielleicht bildet dieser Mann sich das Ganze nur ein.«
    »Das glaube ich kaum«, erwiderte Philip, »jedenfalls scheint Andrew Marshall die Angelegenheit ernst zu nehmen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass ein so erfahrener Anwalt sich da täuscht.«
    »Welche Folgen wird diese Aussage haben?«, fragte Mary stirnrunzelnd.
    »Clarks Unschuld wird bewiesen werden.«
    »Das wäre jedenfalls sehr erfreulich«, meinte Mary mit einem leichten Seufzer.
    Philip lachte bitter.
    »Polly, du bist urkomisch!«
    Polly war sein Kosename für seine Frau. Nur er nannte sie so. Sie sah ihn erstaunt an.
    »Ich weiß wirklich nicht, warum du mich jetzt komisch findest.«
    »Macht nichts – wenn ihr ’ s nicht fühlt, ihr werdet ’ s nicht erj a gen…«
    »Ist es vielleicht nicht erfreulich, dass wir nun doch keinen Mörder in der Familie haben?«, fragte Mary gereizt. »Mich hat es jedenfalls sehr bedrückt – die Neugier und die Anteilnahme der Leute – ich fand das alles entsetzlich.«
    »Du wusstest dich zu wehren«, stellte Philip fest. »Ein Blick deiner kalten blauen Augen genügte, um die Leute zu Eis erstarren und sich ihrer Neugier schämen zu lassen. Wundervoll, wie du es verstehst, deine Gefühle zu verbergen.«
    »Ich habe sehr darunter gelitten, aber dann starb Clark, und damit war der Fall erledigt«, sagte Mary Durrant. »Und jetzt wird natürlich alles wieder aufgerührt werden – sehr peinlich!«
    »Ja«, meinte Philip Durrant nachdenklich; dann schloss er die Augen und versuchte mit schmerzverzerrtem Gesicht die rechte Schulter in die Höhe zu ziehen. Seine Frau war sofort an seiner Seite.
    »Hast du Schmerzen?«, fragte sie besorgt. »Komm, ich schiebe dir ein Kissen in den Rücken.«
    »Du hättest Krankenschwester werden sollen«, brummte Philip.
    »Ich habe aber nicht die geringste Lust, andere Leute zu pflegen – nur dich«, erwiderte Mary schlicht und herzlich.
    Das Telefon läutete; Mary nahm den Hörer ab.
    »Hallo! – Ach, du bist es, Micky… ja, Vater hat uns auch schon angerufen, wir wissen Bescheid… ja, natürlich. Philip sagt, es muss stimmen, wenn die Anwälte der gleichen Meinung sind… Warum bist du so aufgeregt, Micky… ich versteh dich nicht… Hallo, Hallo!…« Sie runzelte ärgerlich die Stirn. »Er hat aufgelegt. Ich kann Micky wirklich nicht begreifen, Philip.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Dass ich begriffsstutzig sei, wenn mir noch immer nicht aufgegangen ist, dass wir jetzt alle in Teufels Küche kommen können. Aber warum? Ich verstehe ihn nicht!«
    »Er hat Recht«, sagte Philip nach kurzem Überlegen. »Gewisse Folgen werden unvermeidlich sein.«
    Mary machte einen leicht irritierten Eindruck.
    »Du glaubst, dass das Interesse an dem Fall erneut aufflackern wird, nicht wahr? Ich bin natürlich froh, dass Clarks Unschuld bewiesen ist, aber es wäre mir sehr peinlich, wenn die Leute wieder die Köpfe zusammenstecken und darüber
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