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Tödlicher Irrtum

Tödlicher Irrtum

Titel: Tödlicher Irrtum
Autoren: Agatha Christie
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ihn geliebt – von ganzem Herzen. Ich war eine Närrin, eine verliebte Närrin. Ich glaubte ihm, ich glaubte, dass er mich liebte, dass er sich nicht für junge Mädchen interessierte – ich kann Ihnen nicht sagen, was ich ihm alles glaubte. Ich habe ihn heiß und innig geliebt, und dann – und dann erschien dieses ordinäre kleine Ding, und ich sah, dass alles gelogen war, dass er ein böser Mensch war. Böse, böse! Er war böse, nicht ich!«
    »An dem Abend, als ich ins Sonneneck kam, fürchteten Sie sich vor den Folgen meines Besuches, nicht wahr? Vielleicht sorgten Sie sich sogar ein wenig um die anderen, um Hester und um Leo, aber hauptsächlich fürchteten Sie für Ihre eigene Sicherheit, und nun sehen Sie, wohin Ihre Furcht geführt hat… jetzt haben Sie noch zwei weitere Verbrechen auf dem Gewissen!«
    »Behaupten Sie etwa, ich hätte auch Philip und Tina ermordet?«
    »Sie haben Philip ermordet – Tina ist wieder bei Bewusstsein.«
    Kirsten ließ verzweifelt die Schultern sinken.
    »Sie hat Ihnen also gesagt, dass ich versucht habe, sie zu Erstechen? Ich dachte, sie hätte es nicht bemerkt. Ich war vor Angst wahnsinnig, ich sah keinen anderen Ausweg mehr…«
    »Wollen Sie wissen, was Tina sagte, als sie zu Bewusstsein kam?«, fragte Calgary. »Sie sagte: ›Die Tasse war leer.‹ Ich weiß, was sie meinte. Sie gaben vor, Philip eine Tasse Kaffee zu bringen, tatsächlich hatten Sie ihn bereits ermordet, und verließen das Zimmer, als Sie Tina kommen hörten. Geistesgegenwärtig behaupteten Sie, im Begriff zu sein, ihm den Kaffee hineinzubringen. Später, obwohl sie beim Anblick der Leiche einen furchtbaren Schock erlitten hatte, stellte Tina rein mechanisch fest, dass die zu Boden gefallene Tasse leer war.«
    »Kirsten kann Tina nicht angegriffen haben«, widersprach Hester erregt. »Tina ging die Treppe hinunter, sie verließ das Haus und lief auf Micky zu… nein, Tina war ganz in Ordnung!«
    »Mein liebes Kind, es kommt vor, dass Leute eine ganze Straße entlanggehen, bevor sie merken, dass sie eine Stichwunde haben. Da Tina einen schweren Schock erlitten hatte, mag sie kaum etwas gefühlt haben, vielleicht einen leichten Schmerz, nicht mehr als einen Nadelstich…«
    Er sah Kirsten an.
    »Später haben Sie dann in einem unbewachten Augenblick das Messer in Mickys Tasche getan – und das war die größte Niederträchtigkeit, die Sie begingen.«
    Kirsten hob flehend die Hände.
    »Ich konnte nicht anders… ich konnte nicht anders… es gab kein Entrinnen mehr… alle waren im Begriff, die Wahrheit zu entdecken, Philip und… und Tina, die meine Unterhaltung mit Clark vor der Haustür gehört haben muss… sie alle wussten es… ich wollte mich retten… aber es gibt ja keine Rettung für mich.«
    Sie ließ die Hände in den Schoß fallen. »Ich wollte Tina nicht töten, und Philip…«
    Mary Durrant stand auf und näherte sich Kirsten langsam und drohend.
    »Du hast Philip ermordet? Du?« fragte sie leise.
    Plötzlich stürzte sie sich wie eine Tigerin auf die Frau. Gwenda sprang geistesgegenwärtig auf und versuchte, Mary zurückzuhalten. Es gelang ihr mit Calgarys Hilfe.
    »Du! Du Mörderin!« schrie Mary Durrant.
    Kirsten Lindstrom sah Mary von der Seite an.
    »Warum musste er sich auch einmischen?«, fragte sie. »Warum musste er so viele Fragen stellen, was ging es ihn an? Ihn hat niemand bedroht. Er war nie in Lebensgefahr. Für ihn war das alles nur – nur ein Zeitvertreib.«
    Sie drehte sich um, ging langsam zur Tür und verließ das Zimmer, ohne sich noch einmal umzuschauen.
    »Halt, halt! Wir müssen sie zurückhalten«, rief Hester.
    »Lass sie gehen, Hester«, sagte Calgary.
    »Sie wird sich das Leben nehmen!«
    »Das bezweifle ich«, erwiderte Calgary.
    »Glauben Sie, dass sie sich der Polizei stellen will?«, fragte Gwenda.
    »Ich glaube eher, dass sie zur nächsten Bahnstation geht und in einen Zug nach London steigt. Aber sie kann nicht weit kommen, man wird sie finden und verhaften.«
    »Unsere gute Kirsten«, sagte Leo mit zitternder Stimme. »Sie hat uns brav und treu gedient.«
    Gwenda ergriff seinen Arm und schüttelte ihn.
    »Wie kannst du nur so etwas sagen, Leo? Sie ist an allem schuld, sie ist für all unsere Leiden verantwortlich!«
    »Ich weiß«, erwiderte Leo. »Aber sie selbst hat auch gelitten, ihr Leiden hat auf uns allen gelastet.«
    »Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten wir ewig weitergelitten! Ich weiß nicht, was ohne Ihren Einsatz aus uns geworden wäre,
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