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Tödlicher Irrtum

Tödlicher Irrtum

Titel: Tödlicher Irrtum
Autoren: Agatha Christie
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da ich im Krankenhaus erwachte. Ich las den Artikel noch einmal durch. Der Prozess hatte vor über einem Jahr stattgefunden, der Fall war fast vergessen.
    Ich ließ mir die Zeitungen kommen, in denen über den Prozess berichtet wurde, dann ging ich zu dem Verteidiger Marshall und erfuhr, dass der unglückliche junge Mann im Zuchthaus an einer Lungenentzündung gestorben war. Wenn es nun auch zu spät war, um das ihm zugefügte Unrecht wieder gutzumachen, so sollte doch wenigstens seinem Andenken Gerechtigkeit widerfahren. Ich ging mit Mr Marshall zur Polizei. Die Staatsanwaltschaft beschäftigt sich jetzt mit dem Fall; Mr Marshall nimmt an, dass er an den Innenminister weitergeleitet werden wird.
    Marshall wird Ihnen selbstverständlich einen genauen Bericht geben, aber ich bestand darauf, Sie zunächst persönlich zu informieren. Ich werde mein Schuldgefühl Ihnen gegenüber niemals verlieren, auch wenn ich im Grunde genommen unschuldig an der Tragödie bin.«
    »Wir wissen, dass Sie nichts dafür können«, beruhigte Gwenda Smith ihn. »Es war eine katastrophale Verkettung unglücklicher Umstände.«
    »Hat man Ihnen geglaubt?«, fragte Hester.
    Er sah sie erstaunt an.
    »Hat die Polizei Ihnen geglaubt? Vielleicht haben Sie sich das Ganze nur ausgedacht.«
    Er lächelte unwillkürlich.
    »Ich bin ein sehr glaubwürdiger Zeuge«, erwiderte er freundlich. »Ich bin persönlich unbeteiligt, habe einen guten Ruf, und es ließ sich leicht nachweisen, dass ich um diese Zeit in Drymouth war. Mr Marshall schien natürlich zunächst etwas misstrauisch – wie alle Anwälte –, und er wollte Ihnen keine Hoffnungen machen, bevor er des Erfolges sicher war.«
    Jetzt sprach Leo Jackson zum ersten Mal.
    »Was verstehen Sie eigentlich unter Erfolg?«
    »Bitte verzeihen Sie mir«, sagte Calgary schnell, »das Wort ist schlecht gewählt. Ihr Sohn ist eines Verbrechens beschuldigt worden, das er nicht verübte; man hat ihn verurteilt, und er ist im Gefängnis gestorben. Aber wir werden dafür sorgen, dass wenigstens sein guter Name wiederhergestellt wird. Der Innenminister wird wahrscheinlich bei der Königin vorstellig werden und um eine Begnadigung bitten.«
    Hester lachte.
    »Warum Begnadigung – wenn er kein Verbrechen begangen hat?«
    »Sie haben Recht, diese juristische Bezeichnung trifft hier nicht zu, aber der Fall wird vors Unterhaus kommen, und danach werden die Zeitungen Clark Jackson rehabilitieren – sie werden schreiben, dass er das ihm zu Lebzeiten zur Last gelegte Verbrechen nicht begangen hat.«
    Er schwieg, alle schwiegen. Er nahm an, dass sein Bericht als ein schwerer Schock empfunden wurde – aber letzten Endes musste er doch auch eine große Befriedigung für alle sein.
    Er stand auf.
    »Ich fürchte«, meinte er unsicher, »mehr kann ich dazu nicht sagen… Ich kann nur wiederholen, wie Leid mir das alles tut, wie unglücklich ich über diese verhängnisvolle Entwicklung der Dinge bin… bitte, verzeihen Sie mir – das alles wissen Sie ja nur zu gut. Die tragischen Umstände, die dazu beigetragen haben, sein Leben zu beenden, belasten nun das meine.«
    Seine Stimme bekam einen bittenden, beschwörenden Ton. »Das Ganze muss irgendeinen Sinn haben… zu wissen, dass er diese grauenvolle Tat nicht begangen hat, dass sein Name… Ihr Name… in den Augen der Welt seine Ehre zurückerhält …?«
    Falls er gehofft hatte, eine Antwort zu erhalten, sah er sich enttäuscht.
    Leo Jackson saß zusammengekauert in seinem Sessel, Gwendas Augen ruhten auf seinem Gesicht. Hester starrte Löcher in die Luft, Miss Lindstrom murmelte etwas Unverständliches und schüttelte den Kopf.
    Calgary blieb hilflos an der Tür stehen und blickte zurück.
    Schließlich stand Gwenda Smith auf, kam auf ihn zu, legte eine Hand auf seinen Arm und sagte leise:
    »Ich glaube, Sie sollten jetzt gehen, Dr. Calgary. Sie müssen uns Zeit lassen, mit dieser neuen Entwicklung fertig zu werden.«
    Er nickte und ging aus dem Zimmer; Miss Lindstrom folgte ihm mit der Bemerkung:
    »Ich werde Sie hinausbringen.«
    Auf dem Treppenabsatz stellte sie sich vor ihn hin und sagte ärgerlich: »Sie können ihn nicht zurück ins Leben bringen! Welchen Sinn hat es also, alles wieder aufzurühren? Alle hatten sich damit abgefunden – jetzt werden sie leiden –, es ist immer ein Fehler, sich einzumischen.«
    »Seine Unschuld muss doch bewiesen werden«, erklärte Arthur Calgary ein wenig hilflos.
    »Das ist alles schön und gut, aber Sie haben ja keine
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